EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens beginnt
Tschechien übernimmt zum 1. Juli turnusgemäß von Frankreich die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union. Der erste EU-Vorsitz für das Land 2009 blieb wegen des Sturzes der damaligen Regierung vielen als Fiasko in Erinnerung. Wie es jetzt werden könnte, fragen sich Kommentatoren.
Keine neue Blamage, bitte!
Einige Parallelen zur ersten Ratspräsidentschaft 2009 sind verstörend, notiert der Journalist Jindřich Šídlo in Sme:
„An der Spitze der Regierung steht wieder ein Premierminister der liberal-konservativen Bürgerpartei ODS, damals Mirek Topolánek, jetzt Petr Fiala. Die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich täglich und damit wächst auch die Unzufriedenheit der Bevölkerung. Auf der Prager Burg sitzt nach Václav Klaus mit Miloš Zeman erneut ein Präsident, der sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen kann, aber vielleicht noch alte Rechnungen begleichen möchte. Und der Oppositionsführer Andrej Babiš ist ein verantwortungsloser Populist. ... Im Jahr 2009 spielte der Vorsitzende der Sozialdemokraten, Jiří Paroubek, diese Rolle.“
Nur eine Marketingblase
Reflex hält den ganzen Wirbel um die EU-Ratspräsidentschaft für völlig überflüssig:
„Ex-Ministerpräsident Mirek Topolánek, der bis zu seinem Sturz 2009 Chef des EU-Rats war, sagt: 'Die Vorstellung, dass wir während der Ratspräsidentschaft etwas Grundlegendes umsetzen oder die europäische Politik neu ausrichten könnten, ist völlig falsch. ... Sie bringt hohe Kosten, fragwürdige Renditen und Verwundbarkeit zu Hause.' Die EU-Ratspräsidentschaft ist vor allem für kleinere und mittelgroße Länder ein Köder, der vorübergehend Bedeutung verschaffen soll. Und sie soll den Anschein erwecken, dass die demokratischen Mechanismen in der Europäischen Union so funktionieren, wie sie sollten.“
Große Momente für normale Bürger
Hospodářské noviny sieht in der EU-Ratspräsidentschaft auch eine Chance:
„Es wird mehr über die Union gesprochen und geschrieben, ihre Ecken und Kanten, Licht- und Schattenseiten werden bekannt. Die Pandemie, der Krieg in der Ukraine und die kommende Energiekrise sind genau die großen Momente, in denen der normale Bürger die Möglichkeit hat, zu prüfen, worin Macht und Vorteil der Mitgliedschaft liegen: ob es sich um Wiederaufbaugelder, den gemeinsamen Kauf von Impfstoffen oder Gas handelt. ... Es liegt an den Politikern, diese spezifischen Dinge zu erklären. Da gibt es noch ein großes Defizit bei uns. Man macht immer noch lieber 'Brüssel' für Unpopuläres verantwortlich, statt über die Vorteile der Mitgliedschaft zu sprechen.“