Ukraine-Botschafter Melnyk verstimmt Polen
Andrij Melnyk, der ukrainische Botschafter in Berlin, hat für Aufruhr gesorgt: In einem Interview leugnete er die Beteiligung des nationalistischen Partisanenführers Stepan Bandera an Massakern an Juden und Polen während des Zweiten Weltkriegs. Das Kyjiwer Außenministerium distanzierte sich deutlich, es handle sich um Melnyks Privatmeinung. Vor allem in Warschau ist die Empörung dennoch groß.
Sabotage an Warschaus Solidarität
Rzeczpospolita sorgt sich um das mühsam aufgebaute polnisch-ukrainische Vertrauen:
„Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine wurden schwierige historische Fragen in den Hintergrund gerückt, sie sollten endlich nicht mehr die Beziehungen zwischen unseren beiden Nationen belasten. Aus diesem Grund haben die Worte eines so bekannten und erfahrenen Diplomaten einen solchen Schock und Empörung ausgelöst. ... Melnyks Worte lassen sich nicht so einfach wegwischen. Er hat der Ukraine in einer Zeit geschadet, in der sie an der Front Niederlagen erleidet und vom müden Westen zunehmend unter Druck gesetzt wird, den Krieg zu beenden.“
Historische Ausflüge auf dünnem Eis
Melnyks Darstellung ist historisch nicht haltbar, stellt die taz klar:
„Bandera hat aktiv dazu beigetragen, dass [Polen und Juden ...] in den 1940er Jahren verfolgt, vertrieben und ermordet worden sind. Die Belege dazu lassen sich in jeder Fachbibliothek finden. ... Selbstverständlich hat Melnyk mit der Aussage recht, dass Bandera von Russland als Feindbild gegen die angeblich in der Ukraine regierenden 'Nazis' genutzt wird. Doch historische Ausflüge, die daheim auf Zustimmung stoßen mögen, sind in einem Krieg, den die Ukraine nur mit Unterstützung von außen bestehen kann, alles andere als hilfreich. ... Die Behauptungen Melnyks verweisen darauf, dass die unverbrüchliche Freundschaft zur Ukraine in diesem Angriffskrieg historisch auf dünnem Eis steht.“