Japan: Trauer um Ex-Premier Abe
Japans Ex-Premier Shinzō Abe ist am 8. Juli im Wahlkampf auf offener Straße erschossen worden. Er hatte Japan 2006-2007 und dann nochmals 2012-2020 geführt. Außenpolitisch setzte er auf Ausgleich mit den Nachbarn bei gleichzeitiger Stärkung des Militärs des Inselstaats, innenpolitisch auf Reformen zahlreicher wirtschaftlicher und sozialer Bereiche. Ein Blick in die Nachrufe der europäischen Presse.
Schockierender Tod eines echten Reformers
Naftemporiki schreibt in seinem Nachruf auf Abe:
„Er war einer der wenigen Politiker auf der Welt, der einer globalen wirtschaftlichen Schule, den Abenomics, seinen Namen gab und seine Karriere mit der fortschreitenden Umgestaltung Japans verband. Er war derjenige, der die Tabus in Bezug auf die Stellung der Frau auf dem japanischen Arbeitsmarkt brach, und vor allem der Politiker, der mit den Abenomics einen anderen Weg zur Bewältigung der globalen Finanzkrise aufzeigte: Statt Austerität setzte er einen Dreifach-Mix aus ultralockerer Geldpolitik, höheren Staatsausgaben und parallelen Strukturreformen um. Aus all diesen Gründen und in den Tagen einer neuen globalen Krise ist die Ermordung Abes ein Schock innerhalb und außerhalb der japanischen Grenzen.“
Urheber einer kooperativen Außenpolitik
Sme würdigt den ermordeten Ex-Premier als Visionär:
„Abe sah Japan als einen proaktiven, souveränen und vollständig normalisierten Akteur auf der internationalen Bühne, der in der Lage ist, sich zu entwickeln, auf äußere und innere Impulse zu reagieren und in Zusammenarbeit mit gleichgesinnten Partnern seine Ziele zu erreichen. ... Auch verfolgte er die Idee, den Pazifik und den Indischen Ozean als 'Meere der Freiheit und des Wohlstands' zu verbinden und die Rivalität zwischen den großen Mächten der Region zu überwinden. Angesichts des wachsenden Selbstbewusstseins Chinas und ganz im Sinne von Abes Vision haben nicht nur die USA, sondern auch die EU mit ihren Strategien für den Indopazifik nachgezogen.“
Er bewies Keynes' Theorie in der Praxis
Shinzō Abe hat sich der Rettung seines Landes gewidmet, betont Ökonom Michel Santi in La Tribune:
„In Bezug auf den von vielen Beobachtern und ausländischen Verantwortungsträgern als unvermeidlich beurteilten Niedergang Japans setzte Shinzo Abe all seine Entschlossenheit ein, um den Rang seines Landes zu bewahren. Seine Überzeugung wurde vor allem von Keynes inspiriert, der vom Grundsatz ausging, dass man bis zum Beweis des Gegenteils nur auf den Staat zählen kann, um die Wirtschaft zu retten. ... Japan war ein Labor, aber auch ein Friedhof, wo Ökonomen und Theoretiker ihre Gewissheiten begraben mussten. … Dieses Land bringt nämlich für alle orthodoxen Ökonomen wenig bequem anzuhörende Wahrheiten hervor, da es alle verbreiteten Ansichten konterkariert.“