Droht Polen der Verlust von EU-Mitteln?
Weil Polen nicht in allen Punkten die EU-Grundrechtecharta einhält, droht die EU-Kommission, Mittel aus dem Kohäsionsfonds des EU-Haushalts zurückzuhalten. Das berichtete zuerst die Tageszeitung Rzeczpospolita mit Bezug auf vertrauliche Dokumente. Wenn Polen vereinbarte Bedingungen für die Auszahlung von EU-Mitteln nicht erfülle, drohe eine Zurückhaltung der Milliardenzahlungen. Die Presse ist alarmiert.
Es könnte zum Ungarn-Szenario kommen
Warschau spielt das Problem fahrlässig herunter, sorgt sich das Online-Portal Onet.pl:
„Die Europäische Kommission unternahm vor einem Monat einen wichtigen Schritt, um Ungarn mit den Rechtsstaatlichkeitsstandards der Gemeinschaft in Einklang zu bringen, indem sie vorschlug, die EU-Mittel für Budapest um 7,5 Milliarden Euro zu kürzen. Sollte Ungarn die erwarteten Reformen nicht umsetzen, könnte der Rat im Dezember über die Aussetzung eines Teils der EU-Mittel für das Land abstimmen. ... Eine solches Szenario ist für Polen nicht vorgesehen. Noch nicht. Der Premierminister sollte die Sache besser nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn wenn die Drohungen aus Brüssel wahr werden, wird Polen enormen Schaden davontragen.“
Die Regierung hat sich verrannt
Rzeczpospolita kritisiert den konfrontativen Umgang der polnischen Regierung mit Kritikern:
„Das Regierungslager hat sich in dieser Frage völlig verrannt. Anstatt der Öffentlichkeit das Dissensprotokoll mit der Europäischen Kommission darzulegen und aufzuzeigen, in welchen Punkten sie im neuen Streit um die Mittel aus dem nächsten EU-Haushalt Recht haben, servieren sie Propagandaparolen, dass alles in Ordnung komme, oder fahren heftige Angriffe gegen jeden, der etwas anderes behauptet. Das ist nicht nur unprofessionell, sondern auch äußerst riskant, denn es geht um die Zukunft Polens.“
Spielraum der PiS ist begrenzt
Warum ein Zurückhalten der Kohäsionsfonds für Kaczynskis Partei besonders schlimm wäre, erklärt die Frankfurter Allgemeine Zeitung:
„[D]enn sie kommen auch den ländlichen Gebieten zugute, in denen sie stark verankert ist. Die PiS nähert sich im Streit über die Unabhängigkeit der polnischen Justiz immer mehr einem Punkt, an dem ihr nationalistisch aufgeladener Feldzug gegen 'Brüssel' reale Kosten für die Bürger des Landes verursacht. Bei denen ist die EU-Mitgliedschaft aber weiterhin populär, deshalb ist der Spielraum der PiS begrenzter, als sie vielleicht ahnt.“
Brüssel muss hart bleiben
Die EU darf gegenüber den Regierungen in Polen und Ungarn auf keinen Fall nachgeben, mahnt Financial Times:
„Der finanzielle Druck, den Brüssel jetzt ernsthaft ausübt, zwingt Warschau und Budapest eindeutig dazu, sich dem Thema zu stellen. Die EU hat ihre finanziellen Muskeln spielen lassen und damit eine Reaktion ausgelöst. Daher ist sie gut beraten, an diesem Kurs festzuhalten. Es besteht die Versuchung, eine Konfrontation zu vermeiden, weil ein äußerer Feind gerade versucht, Europa zu spalten. Es wäre ein Fehler, ihr nachzugeben. Dass Europas liberal-demokratisches Modell von außen bedroht wird, macht es umso wichtiger, dass die Gemeinschaft immer härter gegen die Bedrohungen im Innern vorgeht.“