Bundespräsident Steinmeier erkennt "Epochenbruch"
Den24. Februar 2022 hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede an die Nation als "Epochenbruch" bezeichnet. In der 45-minütigen Ansprache gab er in Bezug auf die deutsche Russlandpolitik der vergangenen Jahre auch persönliche Fehler zu, was Europas Presse mehr oder weniger gelungen findet.
Seltene Selbstkritik
Steinmeiers Mut, eigene Fehler einzugestehen, lobt Corriere della Sera:
„Vor allem räumte er ein, dass in Bezug auf das heutige Russland 'kein Platz mehr für alte Träume' sei, da Putins Krieg in der Ukraine 'das endgültige und bittere Scheitern jahrelanger politischer Bemühungen, auch meiner Bemühungen'', markiere. Es ist selten, dass ein Staatsmann die Kraft findet, sich mit solcher Klarheit selbstkritisch zu äußern. Das muss man Steinmeier zugute halten, mit Bewunderung, jenseits der Fehler, die in der jüngsten Vergangenheit von einem Deutschland gemacht wurden, das sich immer - in diesem Fall ohne jemals Zweifel gehabt zu haben - einem Russland angenähert hat, dessen Rückentwicklung für alle sichtbar war.“
Diese Mutmachrede war eher feige
Der Tagesspiegel findet es problematisch, den 24. Februar zum Tag des "Epochenbruchs" zu erklären:
„Verdrängt wird in dieser Lesart die Vorgeschichte, werden die eigenen Fehler und Verstrickungen, die Illusionen und Fehleinschätzungen. ... [Es wäre] in einer Rede, in der es um Verzicht geht und um härtere Jahre, möglich gewesen, all jene um Entschuldigung zu bitten, die von den Folgen der falschen deutschen Russland-Politik betroffen sind: Ukrainer, Osteuropäer, Deutsche, die ihre Stromrechnung nicht bezahlen können. Eine Mutmachrede ohne Vergangenheitsbewältigung zeugt von fehlendem eigenen Mut.“
Ein großer Scherbenhaufen
Das deutsch-russische Verhältnis ist für lange Zeit zerstört, stellt Radio Kommersant FM fest:
„Der epochale Bruch zwischen Russland und Deutschland ist, gelinde gesagt, schmerzhaft. ... Diese Kontakte wurden schon zu Sowjetzeiten aufgebaut - in über mehr als 50 Jahren. ... Nun ist Olaf Scholz nicht einmal mehr Partner, eher Gegner. Auch Wladimir Putin hat sich kürzlich zu Deutschland geäußert, im Sinne: Man liegt da falsch, aber vielleicht kommt man zur Vernunft, und dann wird alles wieder gut. Das ist ehrlich gesagt eher zweifelhaft, denn es ist bekanntlich viel leichter, eine Sache zu zerstören, als sie wieder zusammenzubauen, selbst wenn das direkten Nutzen bringt. Dies kann Jahre oder sogar Jahrzehnte dauern.“