London blockiert schottisches Transgender-Gesetz
Die britische Regierung geht gegen ein umstrittenes Transgender-Gesetz in Schottland vor. Das vom schottischen Parlament verabschiedete Gesetz sieht eine Vereinfachung des Geschlechtseintrags von Transmenschen vor. Westminster sieht die Gleichstellungsregeln verletzt, die im gesamten Vereinigten Königreich gelten sollen. Europas Presse sieht ganz andere Gründe für den Streit.
Transmenschen zwischen den Fronten
Die Frankfurter Rundschau verurteilt politische Manöver:
„Angesichts andauernder schottischer Unabhängigkeitsbestrebungen kommt es nicht überraschend, dass London gegenüber Edinburgh eine harte Hand zeigen will. Dass Sunak diesen Wunsch aber gleichzeitig nutzt, um den rechten Rand seines Tory-Lagers zu befrieden, das gesellschaftlichen Fortschritt zugunsten marginalisierter Gruppen um jeden Preis verhindern will, ist empörend. Sunak lässt zu, dass trans Menschen einmal mehr zwischen die Fronten einer politischen Rangelei geraten und das Nachsehen haben. Und das, obwohl die schottische Reform ihnen eigentlich nur garantiert, was ihnen ohnehin zusteht: ein menschenwürdiges Leben.“
Westminsters Blockade ist falsch
Beim Abwägen zwischen Gleichberechtigung und regionaler Selbstbestimmung wurde hier falsch entschieden, kritisiert The Irish Times:
„Der richtige Weg wäre es, im Geiste der Devolution [der Abgabe von Macht an das Parlament von Schottland] den schottischen Parlamentariern einen Ermessenspielraum einzuräumen. Das gilt insbesondere, weil der hier diskutierte potenzielle Eingriff in die Gleichstellungsrechte marginal, wenn nicht gar theoretisch ist. In Nordirland [wo Westminster gegen den Willen der nordirischen Regierung und mit Verweis auf die Gleichstellung das Recht auf Abtreibung durchsetzte] war dieser Eingriff eindeutig nicht marginal – alle Frauen waren hier vom Zugang zu Abtreibungsleistungen ausgeschlossen. Es war richtig, dass Westminster damals intervenierte. Jetzt ist es nicht richtig.“
Ein vermeidbarer Streit
Auch der schottischen Regierung liegt scheinbar mehr an Konfrontation als am Konsens, kritisiert The Scotsman:
„Der Gesetzentwurf hätte verschoben werden sollen, um einen ernsthafteren und besser durchdachten Konsultationsprozess anzustoßen, der auch eine Reihe von Bedenken hinsichtlich unbeabsichtigter Folgen hätte ansprechen können. Beispielsweise, dass sich Männer, die nicht Transgender sind, Zugang zu Räumen, die Zufluchtsstätten für Frauen sein sollen, erschwindeln könnten. Nicola Sturgeon hatte die Chance, einen Konsens zu erzielen, um Rechte von Transgender-Menschen wirklich zu verbessern. Aber sie entschied sich dagegen und muss deshalb zumindest teilweise die Schuld für den aktuellen Streit mit Westminster auf sich nehmen.“