Korruption in der Ukraine: Vertrauen in Gefahr?
In mindestens zwei ukrainischen Ministerien wird wegen Korruption ermittelt. Das Verteidigungsministerium soll überteuerte Lebensmittel für Soldaten gekauft haben. Der stellvertretende Verteidigungsminister Wjatscheslaw Schapawalow trat darüber zurück. Als Vize im Infrastrukturministerium soll Wassyl Losynsky Bestechungsgelder kassiert haben. Er wurde umgehend entlassen und sitzt in U-Haft.
Das sind eher gute Zeichen
Für Frankfurter Allgemeine Zeitung sind die nun bekannt gewordenen Affären kein Argument gegen westliche Hilfe:
„Im Gegenteil: Dass die ukrainischen Medien sogar unter den jetzigen Umständen über Machtmissbrauch recherchieren und dass Präsident Wolodymyr Selenskyj ihnen dafür dankt, ist ein positives Zeichen. Auch darin unterscheidet sich die Ukraine fundamental von Russland: Dort dient dem Regime der von ihm selbst begonnene Krieg als Begründung dafür, dieser Tage die letzten Reste Transparenz über Einkünfte von Politikern und Beamten abzuschaffen. Wer der Ukraine wohlwill, sollte sie nicht idealisieren. Ein nüchterner, realistischer Blick auf das Land und seinen Feind zeigt erst recht, warum der Westen noch viel mehr für die Ukraine tun müsste.“
Kyjiw muss auch die internen Schlachten gewinnen
Die Ukraine bewegt sich zumindest in die richtige Richtung, urteilt The Spectator:
„Die Ukraine kämpft seit Jahren gegen ihren Ruf als korruptes Land. Sie hat sicher noch einen weiten Weg vor sich. Die Invasion Russlands im vergangenen Jahr hat die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von der Politik abgelenkt. Aber in den letzten Monaten ist die ukrainische Antikorruptionsbehörde spürbar aktiver geworden. Zum Teil liegt das sicherlich an der Kritik und den Ratschlägen westlicher Partner. Aber es deutet auch auf einen deutlichen Einstellungswandel der Regierung hin. Will Kyjiw gegen Russland siegen, bleibt kein anderer Weg, als auch die internen Schlachten zu gewinnen.“
Der Rückhalt stand auf dem Spiel
Selenskyj hat keine andere Wahl, als schnell und hart durchzugreifen, erklärt La Stampa:
„Die Entlassungswelle kam genau zu dem Zeitpunkt, als westliche Länder über die Entsendung neuer Waffen in die Ukraine diskutierten - und zögerten. Und das ist kein Zufall. Selenskyj wollte auf Nummer sicher gehen, die Unterstützung verstärken und den Verbündeten - die bereits Milliarden von Dollar an Militär- und Finanzhilfe schicken - versichern, dass seine Regierung keine Korruption duldet, während Kyjiw sich auf eine neue und schreckliche Offensive Moskaus vorbereitet und diese Waffen dringender denn je benötigt.“