Tschechien: Petr Pavel zieht in die Prager Burg
Bei der Präsidentschaftswahl in Tschechien hat sich der pensionierte General Petr Pavel mit klarem Vorsprung gegen Ex-Regierungschef Andrej Babiš durchgesetzt. Pavel erreichte gut 58 Prozent der Stimmen, sein Konkurrent knapp 42 Prozent. Pavel erklärte, mit seiner Wahl hätten Werte wie Wahrheit, Würde und Respekt gesiegt. Kann er das Land nach einem mit harten Bandagen geführten Wahlkampf versöhnen?
Er könnte das Land versöhnen
Das neugewählte Staatsoberhaupt hat sich nach seinem Sieg für die Überwindung der tiefen Gräben in der tschechischen Gesellschaft eingesetzt, registriert Novinky.cz zufrieden:
„Petr Pavel ist der erste tschechische Präsident überhaupt, der es sich von Anfang an zur Aufgabe gemacht hat, den Dialog mit den Wählern seines Gegners zu suchen. Er wiederholte, dass er unter den Wählern weder Gewinner noch Verlierer sehen könne. Dies ist eine ausgestreckte Hand für fast zweieinhalb Millionen Bürger der Tschechischen Republik, die seinen Widersacher Andrej Babiš gewählt haben. Es liegt an ihnen, diese Chance zu nutzen.“
Die Babiš-Wähler bleiben
Tygodnik Powszechny ist erleichtert, sieht die Spaltung des Landes aber nicht ohne Weiteres überwunden:
„Die Präsidentschaftswahl war eine Abstimmung über die Form der Tschechischen Republik: was für ein Land sie sein soll und welche Position sie auf der internationalen Bühne einnehmen soll. Die eindeutig pro-demokratische und pro-westliche Option hat sich gegen die populistische durchgesetzt, aber die Babiš-Wähler, deren Ängste dieser gezielt geschürt und ausgenutzt hat, werden nicht verschwinden.“
KP-Vergangenheit kann Pavel nichts anhaben
Laut Der Standard kam auch Pavels offener Umgang mit seiner früheren Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei gut an:
„Beide Kandidaten, die in der Stichwahl gegeneinander antraten, haben den Grundstein für ihre – sehr unterschiedlichen – Laufbahnen davor gelegt, während der kommunistischen Diktatur. ... Pavel blickt mit offenem Visier auf seine Vergangenheit, entschuldigt sich für seine einstige KP-Mitgliedschaft – ein Fehler, aus dem er gelernt habe. Er nennt Václav Havel, den Dissidenten, der 1989 Präsident wurde, als Vorbild für seine Amtsführung. Und er genießt die Unterstützung vieler ehemaliger Regimegegner und ihrer heutigen Sympathisanten.“
Ukrainer können sich mitfreuen
Nach Meinung von Aktuality.sk kann es nur von Vorteil sein, wenn ein Mann mit Erfahrungen im militärischen Bereich auf die Prager Burg zieht:
„Gerade angesichts der aktuellen geopolitischen Lage und der russischen Aggression in der Ukraine ist es für die Tschechische Republik besser, dass Petr Pavel Präsident wird. Er als ehemals zweithöchster Vertreter der Nato ist ein Garant dafür, dass Tschechien keinen abenteuerlichen und unrealistischen Alleingang zur Friedensstiftung gegen den Willen der Ukrainer einschlägt, sondern solidarisch mit dem Bündnis vorgeht und die Ukraine unterstützt, bis der letzte Besatzer von ihrem Territorium vertrieben ist.“
Signal für ganz Osteuropa
Die Bedeutung dieser Wahl reicht über Tschechien hinaus, meint auch Ewropeiska Prawda:
„Die Wahlen in Tschechien waren die ersten, bei denen der Krieg in der Ukraine zum zentralen Thema im Land gemacht und die meisten anderen Themen in den Hintergrund gedrängt wurden. ... Das tschechische Beispiel zeigt, dass pro-russische Populisten besiegt werden können und sollten. Und das ist ein Signal an andere Länder in der Region, insbesondere an die Slowakei, wo im September vorgezogene Parlamentswahlen stattfinden und die pro-russische Opposition noch immer in Führung liegt. Das Wahlergebnis in der Tschechischen Republik war ein Sieg der pro-europäischen Kräfte des gesamten 'neuen' Europas, also auch der Ukraine.“
Tschechien ist nicht Ungarn
Unterschiedliche Auswirkungen populistischer Strategien beobachtet Népszava:
„Die Tschechen haben deutlich gezeigt, dass sie genug haben vom Populismus und von Politikern wie Babiš, der zwischen den zwei Wahlgängen mit einer Lüge Kampagne machte, indem er behauptete, wenn sein Gegner gewänne, würde er Tschechien in den Krieg hineinziehen. Nun kann man sehen, wie groß der Unterschied zwischen der tschechischen und der ungarischen Gesellschaft ist. Während in Tschechien die Lüge gerade die Anhänger von Babiš verunsichert hat, haben hierzulande vor der Parlamentswahl im April letzten Jahres viele geglaubt, dass auch in Ungarn die Waffen sprechen würden, wenn die Opposition gewinnt.“