Wirken die Sanktionen gegen Russland?
Die EU hat mittlerweile bereits das zehnte Sanktionspaket gegen Russland beschlossen. Aufgrund eines Vetos einzelner Mitgliedstaaten wegen Details konnten die Sanktionen nicht wie geplant am symbolträchtigen Jahrestag der Großinvasion Russlands in die Ukraine in Kraft treten. Kommentatoren werfen einen kritischen Blick auf ihre Wirkung.
Goldene Zeiten für Zwischenhändler
Wirtschaftswissenschaftler Wladislaw Inosemzew nennt auf Facebook Hinweise, dass viele bisherige Sanktionen einfach nicht funktionieren:
„So stellte sich etwa heraus, dass der Durchschnittspreis für russische Ölexporte im Dezember 2022, den man bei 49-50 Dollar pro Barrel angenommen hatte, in Wirklichkeit fast 74 Dollar betragen haben könnte, also weit über dem 'Preisdeckel'. Dann kamen Statistiken über die Einfuhren russischer Raffinerieprodukte durch nordafrikanische Länder, wonach sie im Februar dieses Jahres im Vergleich zu 2021 um mehr als das Zehnfache gestiegen waren - und prompt stiegen auch ihre derartigen Ausfuhren nach Europa sprunghaft an. Und wie zu erwarten war, begannen postsowjetische Länder, ein Vielfaches jener Waren zu importieren, deren Lieferungen nach Russland eingeschränkt worden waren.“
Nun spürt es auch Iwan Normalverbraucher
Die Sanktionen kommen beim russischen Durchschnittsbürger an, wie der Journalist Anton Orech in einem von Echo übernommenen Telegram-Post schreibt:
„Bisher gab es Sanktionen gegen Oligarchen, gegen Staatsfirmen, Banken und gewisse Strukturen - die Menschen brachten dies nicht mit sich selbst in Verbindung und hatten nicht das Gefühl, dass es ihr Leben direkt betrifft. ... Aber ein Telefon für 20.000 Rubel [ca. 250 Euro] - das ist so ziemlich jedes Telefon, außer den ganz schlichten - und eine Mikrowelle sind schon lange kein Luxus mehr. Zwar haben wir in diesem Jahr gesehen, wie geschickt man die Verbote umgehen und fast alles über Kasachstan einführen kann. Aber es dauert länger, ist teurer und die Auswahl ist viel geringer. ... Der Sinn der neuen Sanktionen liegt darin, dass sie letztlich auch die kleinen Leute zu spüren bekommen.“
Europa braucht einen langen Atem
Die Sanktionen wirken, aber nur langsam, meint die Kleine Zeitung:
„Tatsächlich ist es so, dass sich Russland als widerstandsfähiger erwies als ursprünglich angenommen und wohl auch gehofft. Experten zufolge greifen die Strafmaßnahmen durchaus - auch wenn sie ihr eigentliches Ziel bislang nicht erreicht haben. Es gibt zu viele Schlupflöcher, und vor allem finanzkräftige Russen wüssten diese zu nutzen. Doch gerade der Verlust des westlichen Know-hows würde Russland vor allem langfristig treffen. Auch die Sowjetunion ist nach Meinung von Experten mitunter daran zugrunde gegangen, dass die Technologien fehlten und der Staat alle Mittel in die Rüstung steckte. Hier lässt sich eine Parallele bereits erahnen. Europa braucht dafür aber einen langen Atem.“
Im Osten wächst die Unzufriedenheit
Új Szó warnt vor einer Spaltung der EU:
„Es ist vielsagend, dass man unter den zehn Mitgliedstaaten mit der höchsten Inflation ausschließlich östliche Länder findet. ... Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass der [unlängst veröffentlichten] Eurobarometer-Umfrage zufolge in der Slowakei nur 49 Prozent der Befragten die von der EU eingeführten Sanktionen gegen Russland unterstützen, die in nicht geringem Maße zum Anstieg der Inflation beigetragen haben. ... Kurz gefasst: infolge des Kriegs wächst in unserer Region die Unzufriedenheit, die die Politiker auf Dauer nicht ignorieren sollten. Andernfalls muss man sich auf seismische politische Veränderungen mit dem Aufstieg extremistischer Parteien vorbereiten. Konsequenzen, die wir später alle bereuen werden.“