Nord-Stream-Anschlag: Führt die Spur in die Ukraine?
Die Ermittlungen zur Urheberschaft der Anschläge auf die Nord Stream-Gasleitungen laufen weiter. Journalistische Recherchen sollen nun ergeben haben, dass nach dem bisherigen Wissensstand der Geheimdienste Spuren in die Ukraine weisen. Eine pro-ukrainische Gruppe hätte demnach den Anschlag ausgeübt haben können. Für Europas Presse ist der Fall noch lange nicht geklärt.
Die Wahrheit bleibt im Nebel
Die Enthüllungen lassen viel Raum für Spekulationen, findet Der Standard:
„Unmittelbar nach den Anschlägen hatten viele Fachleute - aber auch einige Regierungen - im Westen vor allem Russland in Verdacht, Drahtzieher der Sabotage zu sein. Tatsächlich aber stand die These, Moskau habe seine eigenen Pipelines gesprengt, von Beginn an auf tönernen Füßen. Das mögliche Motiv – der Kreml habe damit die Angst der Deutschen vor einem kalten Winter schüren wollen – wirkte allzu konstruiert. Wohin die neuen Spuren tatsächlich führen, muss sich erst weisen. 'Proukrainisch' können westliche Geheimdienste sein oder auch russische Gegner von Wladimir Putins Kriegskurs. Auch eine False-Flag-Operation des Kreml, um die Ukraine zu diskreditieren, wäre denkbar.“
Ukraine ist so oder so im Recht
Selbst wenn die Täterschaft aus der Ukraine stammen sollte, würde das nichts am Gesamtbild des Konflikts ändern, findet die Aargauer Zeitung:
„Die Pipelines, die eine Umgehung ihres Landes beim Gasexport ermöglichten, waren den Ukrainern mit Recht suspekt. Die Regierung in Kiew müsste von dem Anschlag nicht unbedingt gewusst haben: Nationalistische Hitzköpfe könnten eigenmächtig gehandelt haben. ... Hätten Ukrainer die Pipelines zerstört, wäre dies zu verurteilen. Am moralischen Gesamtbild des Konflikts würde es aber ebenso wenig ändern wie die Bombardierung Dresdens an jenem des Zweiten Weltkriegs. Die Ukraine ist im Recht und hat die Unterstützung des Westens verdient.“
Aufklärung wird dauern
Die Beweislage ist noch völlig unklar, stellt Lidové noviny fest:
„Neben den neuen Informationen in dem Fall gibt es immer auch noch die Feststellung der New York Times, dass sich vor der Explosion fast 50 verschiedene Schiffe in der Gegend befanden, die ihre Identifizierung deaktiviert und so versucht hatten, ihren Standort zu verbergen. Es scheint also wirklich jeder gewesen sein zu können, der für etwas Seltsames in den Gewässern der Ostsee sorgte. Mal sehen, ob am Ende tatsächlich jemand 'mit dem rauchenden Colt' erwischt wird. Es scheint, dass dies nicht der Fall ist. Wir werden die Wahrheit wohl erst in ein paar Jahren herausfinden.“
Details gezielt verschwiegen
Večernji list analysiert:
„Die Nachricht, dass US-Beamte aufgrund bisher gesammelter Geheimdienstdaten aus den Ermittlungen schließen, dass für die Zerstörung von Nord Stream 2 im September letzten Jahres eine 'pro-ukrainische Gruppe' verantwortlich ist, könnte Unruhe unter die Alliierten und Partner bringen.. ... The Times schreibt in ihrer Analyse, dass westliche Regierungen und Geheimdienste absichtlich keine Details veröffentlichten, die auf solch eine [ukrainische] Beteiligung schließen lassen, um die Ukraine zu schützen, beziehungsweise um eine mögliche Schwächung der Koalition zu verhindern.“