Absturz von US-Drohne: Steigende Eskalationsgefahr?
Am Dienstag ist über dem Schwarzen Meer eine US-Aufklärungsdrohne abgestürzt. Die USA klagten, "unsicheres und unprofessionelles" Handeln Russlands habe zum Zusammenprall mit einem russischen Kampfjet geführt. Moskau entgegnete, die Drohne sei von selbst abgestürzt, und wirft den USA vor, Daten zu sammeln und an Kyjiw weiterzugeben. Europas Presse analysiert das Gefahrenpotenzial solcher Scharmützel.
Aus Provokation kann leicht Ernst werden
Der Vorfall zeigt, wie gefährlich die Welt mit dem russischen Überfall auf die Ukraine geworden ist, schreibt die Süddeutsche Zeitung:
„Russland und die Nato führen nicht Krieg gegeneinander, aber Moskaus befehlshabender Hasardeur Wladimir Putin hat die Wahrscheinlichkeit einer militärischen Konfrontation drastisch erhöht. Zum einen, weil er als unberechenbarer Aggressor die USA und ihre Verbündeten zu äußerster Wachsamkeit zwingt. Zum anderen, weil er Staat, Gesellschaft und natürlich Streitkräfte in Russland in einen mentalen Kriegszustand gegen den 'kollektiven Westen' versetzt hat. Dazu gehören auch Provokationen, aus denen unkontrollierbarer Ernst werden könnte.“
Dialog ist lebenswichtig
Ilta-Sanomat hofft, dass die USA und Russland miteinander im Gespräch bleiben:
„Die Vereinigten Staaten führen täglich Aufklärungsflüge über dem Gebiet der an die Ukraine angrenzenden Nato-Länder und im internationalen Luftraum durch. Informationen über die Bewegungen der russischen Streitkräfte sind für die Ukraine von unschätzbarem Wert. ... Dies verärgert natürlich den Kreml und die russische Militärführung. Gerade ein Vorfall wie am Dienstag könnte zur Eskalation des russischen Angriffskrieges führen. Glücklicherweise haben die Großmächte jedoch diplomatische Beziehungen und Kontakte auf Beamtenebene, über die auftretende Spannungen ohne öffentliche Aufmerksamkeit entschärft werden können. Es ist zu hoffen, dass diese Kanäle auch weiterhin funktionieren.“
Moskau nimmt Fehler billigend in Kauf
Das Ausbildungsniveau der russischen Soldaten ist ein echter Anlass zu Besorgnis, stimmt La Libre Belgique den USA zu:
„Man darf sich auch fragen, wie die Abfolge der Ereignisse im Fall schlimmerer Ausrutscher aussähe, insbesondere wenn diese Menschenleben kosten sollten. In diesem Sitzkrieg, in den die Nato zwar verwickelt ist, aber doch nicht ganz, ist die Gefahr umso größer, als Washington den russischen Piloten, die am Dienstag im Einsatz waren, 'mangelnde Professionalität' vorwirft. Indem Russland immer mehr auf schlecht ausgebildete Rekruten und auf Milizen zurückgreift, die nach ihren eigenen Regeln agieren, riskiert es verstärkt Fehler, die schlimmste Folgen haben können.“
Das war kein Unfall
Die USA werden auf ihre Weise reagieren, kommentiert der Militärexperte Olexandr Kowalenko auf Facebook:
„Das russische Militär hat eine bis in die Zeit der Sowjetunion zurückreichende Geschichte solcher Provokationen. ... US-General Hecker mag solche Aktionen als 'unsicher und unprofessionell' bezeichnen, aber sie wurden professionell und geplant durchgeführt. Eine Aufklärungsdrohne der USA, die so viel kostet wie ein Kampfjet, wurde mit sehr wenig Aufwand abgeschossen. Das Ziel wurde erreicht. Natürlich wird es keine militärische Reaktion der USA auf diese Aktionen geben, weil Russland sie als Unfall getarnt hat, aber was wird Washington beim nächsten Militärhilfspaket für die Ukraine tun? Eine solche Herausforderung wird nicht unbeantwortet bleiben.“
Moskau versucht, Territorium zu markieren
Aus russischer Sicht lag eine Verletzung des nationalen Luftraums vor, analysiert Jutarnji list:
„Manche Worte von Anatoli Antonow, dem russischen Botschafters in Washington, lassen erahnen, dass Moskau die Welt glauben machen will, die Russen hätten die Drohne absichtlich abgeschossen. Seine Fragen, was 'die Drohne dort zu suchen hatte' und wie die USA reagieren würden, wenn eine russische Drohne 'nahe der US-Küste fliegen würde', sollten die USA testen. Washington hat klar und deutlich geantwortet. Der Zwischenfall geschah in internationalem Luftraum, über internationalen Gewässern, fern von russischen Territorium. Doch Moskau sieht die Krim und andere besetzte Gebiete in der Ukraine als Teil Russlands, was niemand in der Nato akzeptieren wird.“