Atomwaffen in Belarus: Wie groß ist die Gefahr?
Nach der Ankündigung von Russlands Präsident Wladimir Putin, in Belarus taktische Atomwaffen zu stationieren, wachsen Befürchtungen vor einer Ausweitung des Krieges gegen die Ukraine. Putin wies darauf hin, dass auch die USA bei Verbündeten in Europa Atomwaffen stationiert hätten. Europas Presse fragt sich, welche Strategie hinter diesem Schritt stecken könnte.
Großer Schritt der Eskalation
Der ukrainische Dienst der BBC ist besorgt:
„Die Stationierung russischer taktischer Atomwaffen in Belarus ist ein großer Schritt zur Eskalation des Krieges in der Ukraine. ... Im Gegensatz zu Russland sind die USA, obwohl sie taktische Atomwaffen in ihren Beständen haben, nicht in einen großen und blutigen Krieg auf dem europäischen Kontinent verwickelt und benutzen diese Waffen nicht als Argument in ihrer politischen Konfrontation mit den Russen. ... Daher klingen Putins Worte, der Grund für die Stationierung taktischer Atomwaffen in Belarus sei die Weitergabe von Panzergeschossen mit abgereichertem Uran an die Ukraine [Ankündigung Großbritanniens], besonders alarmierend. ... Bis vor kurzem handelte es sich noch um Rhetorik, doch nun werden die Sprengköpfe physisch verlegt.“
Die russische Luftwaffe hat Angst
Und wieder will Putin dem Westen mit einer Eskalation des Krieges Angst machen, meint der Politologe Wolodymyr Fessenko in NV:
„Putin brüstet sich mit seinem enormen Vorsprung in der Luftwaffe. ... Aber aus irgendeinem Grund hat der ungekrönte Zar von Russland vergessen zu erwähnen, dass die russische Luftwaffe Angst hat, ukrainisches Gebiet anzufliegen, außer in bestimmten Frontgebieten. ... Warum hat sie Angst? Weil sie bereits mehr als 300 Flugzeuge und fast 300 Hubschrauber verloren hat. Das ukrainische Luftabwehrsystem wird immer leistungsfähiger. Die Russen haben also etwas zu befürchten. Putin macht nicht den Ukrainern mit seinen 'Horrorgeschichten' Angst, sondern den westlichen Politikern. “
Bellende Hunde beißen nicht
Der Westen muss jetzt besonnen reagieren, argumentiert Corriere della Sera:
„Der russische Präsident hat seit Beginn seiner ungeschickten Invasion vor mehr als 13 Monaten darauf gesetzt, die westliche Öffentlichkeit, die nicht mehr an die Logik des Kalten Kriegs gewöhnt ist, in Angst und Schrecken zu versetzen, um die Hilfe für Kyjiw zu begrenzen. ... Ruhige Nerven, Koordination zwischen den Verbündeten und besonnene Reaktionen sind daher die einzig mögliche Antwort, um zu verhindern, dass die russische Strategie, die darauf abzielt, das Schreckgespenst eines nuklearen Holocausts auszunutzen, Moskau jene Erfolge beschert, die es mit seiner angeschlagenen Armee auf den Schlachtfeldern nicht erreichen kann.“
Einmal mehr Frost aus dem Kreml
Für Lidové noviny liegen die Gründe für diesen Schritt Putins auf der Hand:
„Die geringe Anzahl taktischer Atomwaffen in Belarus ist nicht von großer militärischer Bedeutung. Schließlich hat Russland bereits ähnliche Waffen in seiner Enklave Kaliningrad. Das ist nur noch ein Versuch, die Ukraine und vor allem den Westen einzuschüchtern und die Konfrontation zu verschärfen. Kurz gesagt, es ist eine Rückkehr zum Verhalten aus den schlimmsten Tagen des Kalten Krieges. Schon damals hat die Sowjetunion, die Putin gern zurück hätte, nicht nur nuklear gedroht, sondern auch die Staaten überfallen, die sie kontrollieren wollte. Wir Tschechen erinnern uns gut daran.“
Verlust der Krim könnte Einsatz auslösen
Ob aus einer Drohgebärde Ernst wird, hängt von der Entwicklung auf der Krim ab, mahnt Index.hr:
„Putins größtes Problem ist, dass ein Einsatz von Nuklearwaffen eine gleichwertige Antwort des Westens provozieren würde. ... Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit eines Einsatzes von Nuklearwaffen in Europa ziemlich gering. Zumindest im Moment, wo sich die russische Armee noch einigermaßen in der Ukraine hält. Die Gefahr eines russischen Atomwaffeneinsatzes wird sich bedeutend erhöhen, wenn ukrainische Streitkräfte bis zur Krim vordringen. Deshalb verwundert nicht, dass der Westen Kyjiw oft warnt, die Krim nicht militärisch zurückzuerobern. Manchmal direkt, häufiger aber durch Aussagen, die ukrainische Armee habe nicht die Kraft für solch eine Operation.“