Montenegro: Neuer Präsident - und mehr Europa?
Der 36-jährige Jakov Milatović von der Reformbewegung Europa Jetzt hat die Stichwahl um das Präsidentenamt in Montenegro gewonnen. Verlierer Milo Djukanović war - mal als Präsident, mal als Premier - seit über 30 Jahren an der Macht und führte das Land 2006 in die Unabhängigkeit. Milatović gewann nicht zuletzt auch dank pro-serbischer Stimmen. Kommentatoren analysieren diese Gemengelage.
Politische Wundertüte
Milatovićs Absichten sind völlig unklar, meint Jutarnji list:
„Nun kommt der junge, 36-jährige Jakov Milatović an die Spitze des Staates - eine Art politisches, aber (und das ist in Montenegro entscheidend) auch identitäres Mysterium. ... Werden die Bürger Montenegros, die sich als Montenegriner [und nicht als Serben oder Albaner] fühlen, zur ethnischen Opposition oder gar zur Minderheit im eigenen Land? ... Die Angst, dass Montenegro zum Trojanischen Pferd Russlands innerhalb der Nato-Institutionen werden könnte, sorgt nun für Diskussionen.“
Milatović will in die EU
Der Neue wird sich weniger an Serbien orientieren, als viele derzeit glauben, prognostiziert Večer:
„Milatović hat ein Wirtschaftsdiplom aus Oxford, er war Gaststudent in den USA, in Wien und Rom. Er arbeitete als Angestellter der slowenischen Bank NLB, dann bei der Deutschen Bank und bei der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. ... Milatović ist weniger ein Protagonist der serbischen Welt, die viele als verlängerten Arm Russlands sehen, sondern eher ein Neoliberaler, der auf einen finanziell gestützten Pragmatismus bauen wird. Deshalb ist die Befürchtung, dass Montenegro unter seiner Führung als erstes Land die Nato verlassen könnte, unbegründet. Er wird eher versuchen, sein Versprechen zu erfüllen, dass Montenegro während seiner fünfjährigen Amtszeit EU-Mitglied wird.“
Eher mehr Serbien
Wer davon ausgeht, Milatović könnte das Land schnell an die EU heranführen, könnte sich täuschen, warnt taz-Balkankorrespondent Erich Rathfelder:
„Montenegro solle sich an Europa, aber auch an Serbien anlehnen, erklärte er im Wahlkampf. Dass er die Geschichtsversion Serbiens übernommen hat und Kroatien und Bosnien für den Krieg der 90er Jahre verantwortlich macht, aber über die serbischen Verbrechen von Vukovar, Dubrovnik und Srebrenica nicht spricht, gehört zu dieser Strategie. ... Wahlverlierer Djukanović hat immerhin 40 Prozent der Stimmen gewonnen. Der Machtkampf zwischen den beiden Lagern ist noch nicht entschieden.“
Jetzt könnte es um alles gehen
Wohin die Reise wirklich führt, werden erst die Parlamentswahlen zeigen, meint Jutarnji list:
„Milo Djukanović ist gefallen, weil er es nicht schaffte, einen akzeptierten und starken Nachfolger aufzubauen und die souveränistische Strömung nicht genügend gestärkt hat, die sich der pro-serbischen und pro-russischen Option hätte entgegenstellen können. ... Damit hat er sein Verdienst aufs Spiel gesetzt: die Wiederherstellung der Unabhängigkeit und die Stärkung der nationalen und kulturellen Identität Montenegros. Doch in drei Monaten sind Parlamentswahlen, bei denen sich zeigen wird, ob Montenegro nach den Veränderungen an der Spitze nur noch ein 'Juwel' in Vučićs 'Serbischer Welt' sein wird oder in neue Spaltungen abdriftet, die sein nationales Überleben in Frage stellen.“