Slowakei: Čaputová setzt Expertenregierung ein
Neues Kapitel in der slowakischen Regierungskrise: Nach mehreren Rücktritten wollte Interims-Premier Eduard Heger zwar noch Teile seines Kabinetts retten, aber nun hat Präsidentin Zuzana Čaputová eine Expertenregierung unter Nationalbank-Vizechef Lúdovít Ódor eingesetzt. Sie soll die Slowakei mit einem Kabinett aus parteilosen Fachleuten bis zu den Neuwahlen am 30. September führen. Heger trat im Zuge dessen zurück.
Präsidentin sollte volle Aufmerksamkeit nutzen
Mit der Expertenregierung richtet sich das Scheinwerferlicht mehr als bisher auf die Staatschefin, betont Pravda:
„Zuzana Čaputová hat mit Ľudovít Ódor einen Hochkaräter als Premier ausgewählt. Sie muss ihre Regierung aber auch gut verteidigen, was sie ins Zentrum des politischen Kampfes rückt. Das alles ist riskant, birgt aber potentiell für sie auch großen Gewinn. Die neue überparteiliche Regierung muss sich zwar auf Angriffe aus der Politik einrichten. Sie kann aber mit einer geeigneten Strategie zeigen, dass es möglich ist, vernünftig, ohne unnötige Konflikte und Chaos, zu regieren. Es bleibt genügend Zeit für ein Beispiel guter Praxis. “
Es droht das Ende der Verlässlichkeit
Eine Rückkehr der alten Garde um Ex-Premier Robert Fico wäre nicht nur ein Problem für die Slowakei, sondern auch für die EU, warnt die Süddeutsche Zeitung:
„Denn die nun abgetretene Regierung hinterlässt im Inneren zwar Chaos und Politikverdrossenheit, war aber zuletzt ein wichtiger und solidarischer Partner in der Ukraine-Hilfe. Das Land nahm Flüchtlinge auf, schickte Raketenabwehrsysteme und Kampfflugzeuge. Fico hingegen verbreitet prorussische Hetze. ... Bis zur Neuwahl am 30. September verschafft die Expertenregierung der Bevölkerung eine Atempause. Doch Aufbruchstimmung ist nicht zu spüren. Und zu hoffen wagt vorerst kaum noch jemand.“
Richtige Entscheidung mit Risiken
Die Entscheidung war unumgänglich, ist der Staatspräsidentin aber nicht leicht gefallen, meint Sme:
„Für Präsidentin Čaputová ist die Ernennung einer Expertenregierung ein äußerst schwieriger Schritt, da sie damit den politischen Parteien de facto die Macht entzieht. ... Čaputová wird seit Langem verbal angegriffen. Diese Angriffe werden sich verstärken. Und das in einer Zeit, da sie sich entscheiden soll, ob sie erneut kandidiert. ... Die Slowakei befindet sich jedoch in einer solchen Regierungs- und Verfassungskrise, dass es notwendig war, eine Übergangsregierung zu ernennen und zu versuchen, die Situation vor den Parlamentswahlen zu beruhigen. “
Demütigendes Ende für Heger
Auslöser für das Ende der Übergangsregierung war ein Korruptionsfall, was Denník N besonders peinlich findet:
„Diese Regierung wurde vor drei Jahren dank einer Volksrevolte gegen die Korruption während der Robert-Fico-Ära gebildet. Jetzt endet sie nach einem Korruptionsskandal, in dem ein Minister einen anderen Minister um eine Subvention für sein Unternehmen bat und dieser ihm diese gewährte. Einen demütigenderen Sturz kann man sich kaum vorstellen. Doch Hegers Schande hat viel größere Dimensionen: Seine Partei, die Demokraten, sollte dazu beitragen, dass die Demokratie bei den Wahlen im September nicht frontal von Fico und den Faschisten besiegt wird. Heger hat nun dazu beigetragen, dass das entgegengesetzte Szenario wieder wahrscheinlicher geworden ist.“