Portugal: Sterbehilfe-Gesetz nimmt letzte Hürde
In Portugal wird Sterbehilfe bei unheilbar Erkrankten legal. Die links-liberale Parlamentsmehrheit wollte das entsprechende Gesetz schon seit Jahren verabschieden. Doch der konservative Staatspräsident und offene Sterbehilfe-Gegner Marcelo Rebelo de Sousa hatte die Vorlage dreimal abgelehnt und zweimal das Verfassungsgericht angerufen. Nach dem jüngsten parlamentarischen Ja kann er nun kein Veto mehr einlegen.
Endlich selbstbestimmt sterben
Die taz nimmt das Gesetz gegen Kritik in Schutz:
„Berechtigt sind ausschließlich Erwachsene mit der geistigen Fähigkeit, die Entscheidung für sich zu treffen. Die Zurechnungsfähigkeit ist demnach Voraussetzung. ... Dass es zu einem 'Sterbetourismus' kommen könnte ist ausgeschlossen, denn das Gesetz gilt für nur Portugies:innen und Personen mit Wohnsitz in Portugal. ... Für Betroffene bedeutet das Gesetz aber vor allem, dass sie körperlichem Leid ein Ende bereiten und in Würde und selbstbestimmt sterben können. Wenn dies der letzte Wunsch einer Person sein sollte, welches Recht sollen Außenstehende haben, ihnen diesen nicht zu gewähren?“
Bruch mit zentralen Grundsätzen
Der ehemalige Vorsitzende der konservativen Partei CDS, José Ribeiro e Castro, befürchtet in Observador, dass das Gesetz einer sozialen Selektion Tür und Tor öffnet:
„Viele Menschen in der Bevölkerung werden denken, dass es nur extrem schwere, unheilbare, schmerzhafte und hoffnungslose Fälle betrifft. Diejenigen, die das Gesetz gemacht haben, wissen, dass dies nicht der Fall ist. ... Ältere Menschen, chronisch Kranke, Behinderte und die Ärmsten werden die Hauptzielgruppe sein. Der soziale Druck wird zunehmen. ... Der soziale Egoismus wird es sich bequem machen. Dieses Gesetz bricht Paradigmen und erschüttert ein etabliertes Wertegerüst. Im Grunde handelt es sich um eine moralische Revolution. Der Grundsatz, dass das menschliche Leben unantastbar ist, wurde gebrochen.“
Genau so sollten kontroverse Gesetze entstehen
In Diário de Notícias sieht der sozialistische Abgeordnete und Universitätsprofessor José Mendes das Zustandekommen des Gesetzes als Reifezeugnis für die portugiesische Demokratie:
„Das Euthanasiegesetz ist ein beispielhafter Fall für die Einhaltung der in der Verfassung festgelegten Trennung und das Zusammenspiel der souveränen Organe, in diesem Fall der Parlaments, des Präsidenten und des Verfassungsgerichts. ... Die gesetzgebende Körperschaft arbeitete und nahm die Anregungen, Vorschläge und Entscheidungen des Präsidenten und des Verfassungsgerichts zu gegebener Zeit zur Kenntnis. Die Bestätigung des Textes nach dem Veto des Präsidenten stellt keinen institutionellen Konflikt dar, sondern sollte als Teil der Normalität in einer funktionierenden Demokratie betrachtet werden.“