Ungarn die EU-Ratspräsidentschaft entziehen?
Turnusgemäß würde Ungarn im zweiten Halbjahr 2024 den EU-Ratsvorsitz übernehmen. Nun hat das Europaparlament die Mitgliedsstaaten mit einer Mehrheit von mehr als zwei Dritteln aufgefordert, dem Land den Vorsitz nicht zu gestatten. Es begründete das mit der mangelnden Rechtsstaatlichkeit und der Nichteinhaltung europäischer Werte. Die Resolution ist nicht bindend. Kontroverse Debatte in der Presse.
Präsidiales Untergraben verhindern
Aktuality.sk stellt sich hinter den Beschluss:
„Ungarn hat bereits angekündigt, während seiner Präsidentschaft andere Länder davon überzeugen zu wollen, dass der 'ungarische Weg' der richtige ist. Man kann also davon ausgehen, dass Budapest aus der Position des Vorsitzstaates heraus für ein halbes Jahr die europäischen Werte und die Zusammenarbeit mit der Ukraine untergraben will. Dies könnte den Zusammenhalt innerhalb der EU infrage stellen. Die Union muss daher einen Mechanismus entwickeln, um zu verhindern, dass ein Staat, der in Wertefragen mit ihrer Führung uneins ist, den Vorsitz im Rat der EU übernimmt.“
Widersprechen statt boykottieren
Ungarn die Ratspräsidentschaft zu entziehen, hält die Süddeutsche Zeitung für keine gute Idee:
„Zum einen gibt es rechtlich für so einen Schritt keine ernsthafte Grundlage. Zum anderen würde es politisch in eine Sackgasse führen. Wie viel Bereitschaft zur Zusammenarbeit kann man für den Rest des Jahrtausends denn von Orbán noch erwarten, wenn man ihn derart düpiert? ... Das bedeutet nicht, dass die EU sich von Viktor Orbán jede Beleidigung und jede Lüge gefallen lassen muss. Ein bisschen mehr Mut zum Widerspruch, auch öffentlichem, könnten die Kolleginnen und Kollegen gelegentlich schon aufbringen. Aber es gibt keinen Grund, wegen Ungarns Ratspräsidentschaft in Panik zu verfallen. Europa wird daran nicht zerbrechen.“
Weder zuständig noch glaubwürdig
Für die regierungsnahe Magyar Nemzet hat das Europäische Parlament wenig Autorität in Wertefragen:
„Dass es das Parlament nichts angeht, wer der amtierende Ratspräsident ist, ist eine Sache. Aber dort sitzt auch der kürzlich freigelassene [fraktionslose belgische Abgeordnete] Marc Tarabella, dem vorgeworfen wird, mindestens [120.000 Euro] angenommen zu haben, um Katar im Europäischen Parlament besser dastehen zu lassen, was er auch getan hat - und er hat gegen uns gestimmt.“