Wird Threads ein besseres Twitter?
Der Facebook-Mutterkonzern Meta hat am Mittwoch den Nachrichtendienst Threads gestartet. Meta geht damit auf direkten Konfrontationskurs mit Twitter, das unter Elon Musk in Turbulenzen geraten ist und für die mangelnde Moderation von problematischen Inhalten Kritik einstecken musste. In der EU ist Threads wegen ungeklärter Datenschutzfragen noch nicht verfügbar. Einige Kommentatoren sind geradezu euphorisch, andere sparen nicht mit Kritik.
Soziales Paradies
Posta-Journalist Mehmet Coşkundeniz hat sich einen Account zugelegt und ist begeistert:
„Bis jetzt ist es großartig. Es ist wie in den Anfangsjahren von Twitter. Es gibt keine Troll-Armeen, der Lynchmob ist noch nicht da. Keiner sagt, 'schreib das nicht, lösch das'. ... Im Moment ist es wie eine Art soziales Paradies. Ich weiß nicht, wie lange es so bleiben wird, aber man sollte es genießen. Auf Threads können Sie Videos von bis zu fünf Minuten Länge hochladen. Das Zeichenlimit liegt bei 500. ... Ich wünschte, es würde immer so bleiben. ... Go Threads, beerdige Musks Arroganz.“
Potenzial dank Musks Versagen
Twitter könnte das Schicksal anderer großer Internet-Anwendungen erleiden, meint La Stampa:
„In den 1990er Jahren, als Microsoft Explorer einführte, begann der Niedergang von Netscape. Ein Jahrzehnt später war MySpace dem Untergang geweiht: Facebook trat in unser Leben. Und vielleicht hat gestern das Ende von Twitter begonnen, als Mark Zuckerberg Threads startete. ... Dass Threads eine Chance auf Erfolg hat, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass Twitter unter der Leitung von Elon Musk immer abstoßender und uninteressanter geworden ist. Daher könnte man sagen, dass das Ende von Twitter - wenn es denn eines geben wird - mit dem Kauf durch Musk im Oktober 2022 begonnen hat.“
Eine weitere Datenkrake
Journalist Alfonso Ussía ärgert sich in The Objective über Threads:
„Der Typ, der dank deiner Daten immens reich geworden ist, kann jetzt deine Informationen an den Meistbietenden verkaufen und weiterhin Geld auf deine Kosten zu verdienen. ... Die Nutzungsbedingungen der App in den USA, – Europa denkt noch darüber nach, ob es ihn weiterhin klauen lassen soll –, beinhalten unter anderem Standort- und Identifizierungsdaten, Telefonnummer und Kontakte und sämtliche Inhalte auf dem Gerät. ... Es erschreckt mich, dass wir keine Zeit mehr haben, nachzudenken, zu lesen, uns zu langweilen, den Unsinn zu hinterfragen, der in den sozialen Netzwerken wiederholt wird. Diese Millionäre schenken uns Endorphine und bereichern sich daran, die halbe Welt zu Idioten zu machen.“
Bei Twitter gibt es keine Erwachsenen mehr
Threads ist nur ein weiterer Sargnagel für Twitter, glaubt The New European:
„Es besteht die realistische Möglichkeit, dass Twitter in den nächsten zwölf Monaten bankrottgeht. ... Musk hat mit dem Dienst genau das Gegenteil von dem getan, was er versprochen hatte. Den meisten Nutzern wird auffallen, dass Bots sie stärker belästigen als zuvor, Beschimpfungen und Hassrede zugenommen haben und sich Desinformation - ohne Kuratierung durch ein Team, das darauf achtet und dagegen vorgeht - leichter verbreitet. ... Nächstes Jahr finden wichtige Wahlen in Großbritannien, der EU und den USA statt. Aber bei Twitter gibt es keine Erwachsenen mehr, die auf Integrität achten. Das Chaos auf Twitter hat Folgen – aber es ist nicht Elon Musk, der sie spüren wird, sondern wir alle.“