CELAC-EU-Gipfel: Zeit für echte Partnerschaft?
Montag und Dienstag treffen sich Staats- und Regierungschefs aus der EU, Lateinamerika und der Karibik zum dritten CELAC-EU-Gipfel in Brüssel. Spanien, das zur Zeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat, sieht sich als Vermittler und will die Zusammenarbeit vorantreiben. Konkret soll das seit Jahrzehnten verhandelte Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur unterzeichnet werden. Europas Presse reflektiert Veränderungen in der Machtbalance.
Lateinamerika in den Vordergrund rücken
El Periódico de Catalunya findet ein Handelsabkommen überfällig:
„Der Blick auf Russland und den Krieg, die Sorgen um die Kontrolle des Mittelmeers, das Konzentrieren auf das Bündnis mit den Nordatlantik-Staaten und eine vor allem auf Afrika ausgerichtete Entwicklungszusammenarbeit haben Lateinamerika stets in den Hintergrund gedrängt. Die spanische Präsidentschaft will diese Beziehung nun verbessern. Bislang bestand sie nur darin, auf Unruhen zu reagieren oder Druck auf Autokraten und Reaktionäre auszuüben. ... In Lateinamerika liegt ein Großteil der Ressourcen, die wir für die grüne Wende brauchen. China und die USA machen sich das Gebiet streitig, und es wäre absurd, wenn Europa keine Strategie entwickeln würde, wo uns diese Länder doch viel näher stehen.“
Beziehung mit mehr Gleichgewicht
Eine deutliche Annäherung erhofft sich The Irish Times:
„Ebenbürtigkeit und gegenseitiger Respekt sind zentrale Merkmale des gegenwärtigen Wandels weg von einer Zeit, in der lateinamerikanische Regierungschefs dazu neigten, der US-amerikanischen und europäischen Politik zu folgen, hin zu einem von mehr Unabhängigkeit geprägten Ansatz. ... Die lateinamerikanische Seite ist international weit weniger eingebunden als die EU und verfolgt entschlossen ihre eigenen Interessen. ... Der Gipfel verspricht Anstoß für einen schmerzhaften, aber lohnenswerten Übergang zu einer ausgewogeneren Beziehung zu werden.“
Wenig nachgedacht, noch weniger angeboten
Weil die EU leider nicht viel zu bieten hat, wird der Gipfel wohl enttäuschend sein, befürchtet Financial Times:
„Die Region steht Europa kulturell nah, sie ist weitgehend demokratisch, teilt die Grundwerte der EU und die Einwanderung aus diesem Gebiet ist relativ leicht zu bewältigen. ... Und dennoch wird im Ergebnis des Gipfels bestenfalls der Ratifizierungsprozess für das seit Jahrzehnten verhandelte EU-Mercosur-Handelsabkommen einen politischen Schub erhalten. Der wahrscheinlich enttäuschende Gipfel ist Ausdruck dafür, dass die EU nicht darüber nachgedacht, geschweige denn artikuliert hat, welche tiefergehenden Beziehungen sie Nicht-EU-Ländern anbieten kann, die über traditionelle Handels- und Assoziierungsabkommen hinausgehen.“
Realitätsschock zu befürchten
Europa braucht heute Lateinamerika mehr als umgekehrt, stellt der Südamerika-Korrespondent des Handelsblatts, Alexander Busch, fest:
„Ein Beispiel dafür ist das EU-Mercosur-Abkommen. Tatsächlich wollen die Europäer den südamerikanischen Partnerländern die Bedingungen diktieren, zu denen sie künftig miteinander Handel treiben wollen. Doch Lateinamerikas Agrargüter und Erze suchen sich selbst ihre Abnehmer - dafür ist ein Freihandelsabkommen nicht entscheidend. ... Gleichzeitig wollen die Europäer industrielle Rohstoffe, die für sie strategisch wichtig sind, weiter beziehen. Warum aber sollen die Südamerikaner ihre Märkte weit öffnen für europäische Industriegüter, wenn ihnen selbst wenig angeboten wird? Der Gipfel in Brüssel könnte zu einem Realitätsschock in Europa führen.“