Trump-Prozess: Wie robust ist die Demokratie?
Ex-Präsident Donald Trump ist in Washington vor Gericht erschienen. Beim dritten Prozess gegen ihn muss er sich wegen der mutmaßlichen versuchten Fälschung der Wahlergebnisse von 2020 und seiner Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 verantworten. Die Medien sind sich einig: Bei diesem Prozess steht viel auf dem Spiel - nicht nur für Trump, sondern noch mehr für die USA.
Sein Lügengebäude kollabiert
Die Anklage hat einen Haken, wird Trump aber dennoch schaden, meint die Aargauer Zeitung:
„Letztlich fehlt ein stichhaltiger Beweis für Smiths Hauptvorwurf: Dass Trump nach der Wahl 2020 nicht nur log, sondern wider besseres Wissen auch alle Hebel in Bewegung setzte, damit er fälschlicherweise zum Sieger erklärt würde. … Politisch allerdings ist die Anklage Gift für Trump, selbst wenn sich seine Fans nun über eine Hexenjagd beschweren. Denn der Sonderermittler zwingt den früheren Präsidenten dazu, vor Gericht, unter Eid, seine abstrusen Thesen über die letzte Präsidentenwahl zu wiederholen. Damit wird er im Wahlkampf 2024 eine Mehrheit der Bevölkerung vor den Kopf stossen. Denn die meisten Amerikaner wollen endlich wieder über ihre Probleme sprechen, nicht über jene von Trump.“
Wähler, nicht Juristen müssen Trump verurteilen
Berlingske beäugt die Rolle der Justiz skeptisch:
„Sind es die Anwälte und das Justizministerium, die für die Demontage des gefährlichen Trump sorgen müssen, insbesondere jetzt, mitten im Wahlkampf, in dem Trump der Präsidentschaftskandidat zu sein scheint? Oder sollten es die Wähler sein? ... Im Interesse der amerikanischen Demokratie sollten es Letztere sein. ... Auch wenn er sich in mehreren Fällen als verurteilbar erweist, könnten sie am Ende doch seine stärkste Karte im bevorstehenden Wahlkampf sein. Sie geben ihm die Plattform, um die perfekte Dolchstoßlegende zu erschaffen. Die Rolle des Märtyrers und das darin enthaltene Misstrauen gegenüber der Demokratie reizen ihn und können viele seiner Anhänger in Bann ziehen.“
Rechtssystem am Limit
Ein möglicher Wahlsieg Trumps wäre eine harte Bewährungsprobe für die US-Justiz, kommentiert Dnevnik:
„Sollte Trump die Präsidentenwahl tatsächlich gewinnen, könnte das die USA noch mehr aus der Bahn werfen als bisher. Er könnte den Generalstaatsanwalt anweisen, die Ermittlungen gegen ihn einzustellen. Er könnte sich auch einfach selbst begnadigen. Verfassungsrechtler sind sich nicht im Klaren darüber, ob dies möglich ist, sodass der Fall wahrscheinlich vor den Obersten Gerichtshof gehen würde, wo Trump drei der neun Richter ernannt hat. Dies wäre für jede voll funktionierende Demokratie mit einem gesunden Justizsystem eine schwere Prüfung.“
Jetzt hilft nur noch Daumendrücken
NRC warnt davor, Trump wieder zu unterschätzen:
„Mit der Kombination von Opferrolle und Endzeit-Rhetorik scheint er die Parteinominierung zu erobern. Inzwischen zieht er Kleinspendern Millionen aus der Tasche, die er für Anwaltskosten aufwenden kann. Unklarer ist, ob schwankende Wähler und gemäßigte Republikaner im eigentlichen Rennen davon so erbaut sein werden. Aber Trump wurde schon früher unterschätzt - und siegte 2016 mit weniger Stimmen als seine Rivalin. Die amerikanische Demokratie steht mit Trump als Kandidat und Angeklagten vor einem beispiellosen Stresstest, und der Rest der Welt kann nur die Daumen drücken, dass dies gut ausgeht.“
In einem normalen Land wäre das unmöglich
Dass der Angeklagte trotz der Schwere der Vorwürfe Favorit für die Wahlen bleibt, ärgert den Journalisten Alan Friedman in La Stampa:
„Die Anklage ist weit gravierender als die wegen Verschleierung streng geheimer Kriegspläne oder der Verschwörung zur Vernichtung von Beweisen für seinen Versuch, die Justiz zu behindern. ... Es geht hier um eine Verschwörung, um dem amerikanischen Volk das Recht zu verweigern, seinen eigenen Präsidenten zu wählen, indem das Verfahren zur Bestätigung der Wahlergebnisse blockiert wurde. … In jedem normalen Land wäre es angesichts dieser Tatsachen undenkbar, dass Trump 2024 noch als Kandidat der Republikaner für das Weiße Haus antreten könnte. Doch heute ist er der Favorit, und aller Wahrscheinlichkeit nach wird er es auch bleiben.“
Für jedes politische Amt disqualifiziert
Die Republikaner hätten Trump schon längst ausschließen müssen, ärgert sich Die Presse:
„Es geht um den Kern der amerikanischen Demokratie - und in der Folge vielleicht auch um ihren Bestand. Wer wie Donald Trump korrekte Wahlergebnisse nicht anerkennt, seine Niederlage nicht eingesteht und sich einer friedlichen Machtübergabe entgegenstemmt, verstößt gegen ein unantastbares Grundprinzip der demokratischen Ordnung. So jemand disqualifiziert sich für jegliches politische Amt. … Die Republikaner versäumten die Gelegenheit, Trump gleich nach dem schändlichen Angriff auf das Herz der amerikanischen Demokratie aus ihren Reihen zu verstoßen. Sie sind bis heute in seiner Geiselhaft.“
Gewaltenteilung in Gefahr
Eine ernsthafte Bewährungsprobe für die Vereinigten Staaten, befürchtet Simon Petite, US-Korrespondent von Le Temps:
„Der Präsident hat die Macht, jeden Verurteilten zu begnadigen. Könnte er sich selbst begnadigen? ... Die Institutionen haben bereits am 6. Januar 2021 gewankt, als die Anhänger des Präsidenten das Kapitol stürmten. Zweieinhalb Jahre danach zeigt Donald Trump keinerlei Reue. Er nimmt erneut Anlauf auf das Weiße Haus. Sollte er sein Ziel erreichen, ist zu befürchten, dass er seine Vorrechte ausbauen wird. ... Er würde sich dazu auf die Legitimierung durch das Volk gegen die Legitimität der Richter stützen. Er hat bereits den Machtwechsel infrage gestellt, bleibt noch die Gewaltenteilung.“
Demokratie nicht nur in den USA bedroht
Jyllands-Posten sieht den Fall als Symptom einer sich ausbreitenden politischen Krankheit:
„Trump ist Symbol und Ergebnis einer schrecklichen Spaltung und eines von den sozialen Medien unterstützten Stillstands des demokratischen Dialogs und einer zunehmend rückgratlosen politischen Klasse, die losgelöst von den Menschen agiert, die sie zu vertreten vorgibt. Dies sind Phänomene, die nicht mit Donald Trump verschwinden, und seine Eskapaden unterstreichen nur, wie fragil die Demokratie ist. Was wir für selbstverständlich gehalten haben, ist es nicht mehr. Es kann in kürzester Zeit alles zusammenbrechen.“
Das Problem geht weit über Trump hinaus
Auch Večernji list sieht im Ex-Präsidenten ein Anzeichen für tieferliegende Probleme der Gesellschaft:
„Trumps Wähler wissen, sind überzeugt davon, denken, dass das gesamte System gegen sie positioniert ist; dass das FBI, die Medien und Hollywood 'linke Aktivisten' sind und Trump der Einzige ist, der sich ihnen je entgegengestellt hat. ... Noch ist nicht klar, ob die Anklage einige Wähler endlich vom Ex-Präsidenten entfernen wird. Doch es scheint immer mehr, dass Trump nur ein Symptom, nicht jedoch der Grund für die amerikanischen Spaltungen ist. Wenn dieser antidemokratische Hochstapler die verzweifelte Hälfte Amerikas davon überzeugt hat, dass nur er für sie und gegen die politisch korrekte linke Bewegung kämpft, dann ist das Problem vielleicht nicht nur Trump.“