Ecuador: Mord an Präsidentschaftskandidaten
Mitten im ecuadorianischen Wahlkampf ist Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio in Quito erschossen worden. Sechs Verdächtige wurden festgenommen, nach Regierungsangaben sind sie der organisierten Kriminalität zuzuordnen. Der 59-jährige Villavicencio hatte insbesondere den Kampf gegen Korruption zu seinem politischen Ziel erklärt. Kommentatoren beleuchten die Hintergründe des Attentats.
Die Macht der Drogenkartelle
Corriere della Sera analysiert die Motive für den Mord :
„Fernando Villavicencio war von dem Drogenkartell Los Lobos bedroht worden, dem er den Kampf angesagt hatte. … Zu seinen Vorschlägen gehörten der Bau eines Hochsicherheitsgefängnisses, der Einsatz von Militär in Häfen zur Kontrolle des Drogenhandels und die Schaffung eines Anti-Mafia-Bündnisses, das mit ausländischer Unterstützung die Drogenhändler verfolgen sollte. In den Umfragen lag er zwischen dem vierten und fünften Platz, weit hinter der vom ehemaligen Präsidenten Rafael Correa unterstützten Luisa González. Doch gehörte er zu den wenigen Kandidaten, die sich gegen die Verbindungen zwischen organisiertem Verbrechen und Politik aussprechen.“
Endlose Kette aus Kriminalität und Korruption
La Vanguardia verweist auf den weltweiten Kokainkonsum:
„In den letzten Jahren hat Ecuador unter einem enormen Anstieg der Drogenkriminalität gelitten. Wegen der Nähe zu Kolumbien und Peru und dem Netz von Infrastrukturen und Häfen ist das Land immer wichtiger geworden. ... Die Behörden müssen ihre Anstrengungen im Kampf gegen die Kriminalität verdoppeln. Sonst riskieren sie, dass das Land in die Hände von Drogenhändlern fällt. Kokainkonsumenten sind ein Teil des Problems, egal ob sie in Ecuador, den USA oder Spanien leben. ... Die Debatte über die Legalisierung von Drogen ist aktueller denn je. Doch bis es soweit ist, muss jeder Konsument wissen, dass er Teil einer endlosen, immer stärker werdenden Kette aus Kriminalität und Korruption ist.“
Die Krise ist hausgemacht
Der Abstieg des einstigen Vorzeigelandes liegt auch an neoliberaler Politik, betont die taz:
„Die nunmehr sieben Jahre neoliberale Wirtschaftspolitik, teilweise vom Internationalen Währungsfonds mitkonzipiert, haben die Armutsquote klettern und die Zahl der Sozialprogramme sinken lassen. Ein wesentlicher Grund, weshalb die 25 im Land agierenden Kartelle keine Nachwuchsprobleme haben. Obendrein hat das Spardiktat dazu geführt, dass die noch unter Präsident Rafael Correa leidlich gut funktionierenden Institutionen des Landes in einem desolaten Zustand sind. Bestes Beispiel ist das Strafvollzugssystem, wo bis vor wenigen Monaten nur halb so viele Beamte angestellt waren, wie UN-Institutionen empfehlen. Ecuadors Krise ist hausgemacht ... .“