Was, wenn Chinas Immobilienriesen kollabieren?
Der hoch verschuldete chinesische Immobilienkonzern Evergrande kann seine Verbindlichkeiten in den USA nicht mehr bedienen und beantragte laut Medienberichten am Donnerstag in Manhattan Gläubigerschutz. In China selbst ist mit Country Garden einem weiteren großen Baukonzern das Geld ausgegangen. Steht Chinas Immobiliengeschäft nun vor dem Kollaps? Und droht gar eine Finanzkrise? Eher nicht, meinen Kommentatoren.
Tickende Zeitbombe
El País vergleicht die Situation mit Spanien vor dessen großer Baukrise ab 2008:
„Das Baugewerbe und die mit ihm verwandten Aktivitäten machen fast 30 Prozent des BIP aus. Dieser Wert ist höher als der in Spanien unmittelbar vor dem Platzen der Blase. ... Die jüngste Ankündigung von Evergrande, Chinas zweitgrößtem Bauträger, in den Vereinigten Staaten Konkurs anzumelden, verstärkt das Misstrauen nur noch. ... Joe Biden nannte den Zustand eine 'tickende Zeitbombe'. ... Immer mehr Investoren haben beschlossen, ihre Asiengeschäfte zu diversifizieren, um eine Risikokonzentration zu vermeiden. ... Die Tatsache, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt so großen Risiken ausgesetzt ist, bedroht die Weltwirtschaft.“
Kein Lehman-Brothers-Moment
Die Krise wird sich auf die chinesische Wirtschaft beschränken, erwartet Les Echos:
„Einige Marktteilnehmer gehen davon aus, dass China seinen 'Lehman-Moment' erlebt. … Doch dieses Horrorszenario ist nicht schlüssig. Auch wenn die Zahlen lückenhaft und noch nicht genau bekannt sind, ist man sich recht sicher, dass die Belastung des globalen Finanzsystems durch Anleihen bei chinesischen Bauunternehmern relativ gering ist. Weitaus besorgniserregender sind hingegen die Auswirkungen dieser Krise auf die chinesische Wirtschaft selbst. Diese hat bereits seit der Pandemie Mühe, wieder zu wachsen, und der aktuelle Immobilienschock beraubt Peking eines seiner wichtigsten Instrumente zur Ankurbelung der Wirtschaft.“
Das Gebälk knirscht, aber es hält
Analysten sind hoffnungsvoll, dass China die Krise ein weiteres Mal eindämmen kann, meint auch das Wirtschaftsportal Portfolio:
„Globale Aufsichtsbehörden verfolgen das Chaos auf dem chinesischen Immobilienmarkt aufmerksam, denn sie befürchten, dass die Märkte anderer Länder infiziert werden könnten. ... Die Frage ist nun, ob der chinesische Staat nach der Eindämmung der Evergrande-Krise in den vergangenen zwei Jahren erneut in der Lage sein wird, eine Immobilienkrise abzufedern. Die Analysten glauben einstweilen daran, dass Peking auch diese größere und umfassendere Krise bewältigen könnte, aber inzwischen haben sie alle begonnen, ihre BIP-Wachstumserwartungen zu senken.“
Für China ist die Blase das geringere Übel
Peking will ein Desaster auf jeden Fall verhindern, glaubt Helsingin Sanomat:
„Das Bevölkerungswachstum in China ist zum Stillstand gekommen, und die Geburtenrate stark gesunken. Die Bevölkerung altert. ... So ähnlich begann auch Japans lange Wirtschaftsflaute: eine Periode der Deflation, der Verschuldung, der Überalterung und des langsamen Wirtschaftswachstums. Wenn China aus dieser Spirale ausbrechen will, muss es seine Märkte öffnen, die Grenzen zwischen staatlichen und wirtschaftlichen Interessen klar definieren und mit dem Westen zusammenarbeiten. … Doch Chinas Politiker sehen auf dem Weg dorthin große Risiken. Es ist daher zu erwarten, dass China seine mit Schulden finanzierte Immobilienblase Jahr für Jahr und Jahrzehnt für Jahrzehnt mit Krediten stützen wird.“