Brics wächst um sechs weitere Länder
Auf ihrem Gipfel in Südafrika haben die fünf Brics-Staaten unter vielen Bewerbern sechs neue Mitglieder ausgewählt: Zum 1. Januar 2024 treten Saudi-Arabien, Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate, der Iran, Argentinien und Äthiopien der Staatengruppe bei, die sich als Vertretung des "Globalen Südens" versteht und künftig Brics+ heißen soll. Wie ist die Expansion einzuschätzen?
Peking gewinnt, wenn das Profil verwässert
Der Sinologe Andrej Smoljakow sieht in The Insider China als Profiteur der Erweiterung:
„Brics ist gegenwärtig schon ein zersplitterter und diffuser Block, wobei die verbleibenden verbindenden Elemente unter der Aufnahme neuer Länder nur leiden können. ... Die mehr oder weniger 'antiwestliche' Basis der Gruppe wurde erschüttert: Saudi-Arabien und die VAE bleiben die wichtigsten US-Verbündeten in der Region. ... Der Nutzen der Gipfelergebnisse für China ist beachtlich: Je mehr Länder Brics beitreten, desto unschärfer wird die Dynamik innerhalb der Gruppe und desto einfacher wird es für Peking, seinen Status als informeller Anführer zu festigen. Nun kann China seine Investitionsprogramme und damit seinen internationalen Einfluss noch weiter voranbringen.“
Unrealistische Ziele Chinas
Le Monde widerspricht:
„Die Entscheidung für eine Erweiterung ist ein Sieg für den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, der ihr größter Verfechter war. Doch wenn er die elf Brics-Staaten zu einem Instrument seiner Rivalität mit den USA machen will, wird er bei Indien und Brasilien auf Ablehnung stoßen. ... Und auch falls er, unterstützt von Wladimir Putin, eine Gruppe von Ländern schaffen will, die in der Lage ist, sich gegen die G7 oder das Bündnisnetz der westlichen Staaten an der Seite der USA zu stellen, wird er Schwierigkeiten haben, die gleiche Kohärenz zwischen so unterschiedlichen politischen Systemen wie denen des Irans, Südafrikas, Brasiliens oder Chinas zu finden. Je größer die Zahl der Mitglieder, desto kleiner der gemeinsame Nenner.“
Starker Wunsch nach Veränderung
Der EU sollte der Zustrom zu Brics zu Denken geben, mahnt The Irish Times:
„Die Unzufriedenheit darüber, wie Macht verteilt ist, sollte die wichtigere Lehre sein, die man aus der Entscheidung zur Erweiterung zieht - statt sich darauf zu fokussieren, was diese Entscheidung für die bestehende Polarisierung zwischen Staaten aus West-Ost, Nord-Süd oder liberal-autoritär bedeutet. ... Die begeisterte Reaktion von über 30 Staaten, die als Beobachter dem Treffen beiwohnten, zeugt von einem weit verbreitetem Wunsch nach Veränderung und der Suche nach Handlungsmöglichkeiten. Hier entsteht eine neue Welt. Aber die Europäische Union und ihre Mitglieder waren nicht in nennenswerter Weise vertreten und müssen ihre diplomatischen Bemühungen verstärken.“
UN-Reform als Ausweg
In einer multipolaren Welt müssten eigentlich die Vereinten Nationen wieder an Bedeutung gewinnen, schreibt das Tageblatt:
„Der Ort ..., an dem alle an einem Tisch sitzen, bleiben die Vereinten Nationen. ... Der UN-Sicherheitsrat repräsentiert längst nicht mehr die Welt. Während mit Großbritannien und Frankreich zwei ehemalige Kolonialmächte einen ständigen Sitz haben, steht ein solcher Lateinamerika und Afrika noch immer nicht zu. Zudem lähmen die Antagonisten Russland beziehungsweise China auf der einen und die USA auf der anderen Seite den Sicherheitsrat. Die Stärkung des Blocks der Brics-Staaten mag aus westlicher Sicht Sorgen bereiten, da Einfluss verloren geht. Den Ausweg würde eine Reform der Vereinten Nationen bieten.“
Neue Impulse für die Weltordnung
El Periódico de Catalunya erkennt neue globale Machtverhältnisse:
„Indien befürchtete, dass die Erweiterung seinen Einfluss schwächen würde, aber sein Gewicht wurde bei der Auswahl der neuen Mitglieder unter den 23, die sich offiziell beworben hatten, deutlich. Für Neu-Delhi, das auch die Führung des globalen Südens anstrebt, ist es wichtig, dass die Gruppe nicht von Peking dominiert wird. Die auf dem Gipfel erzielten Fortschritte mögen nicht so groß sein wie erhofft, aber zweifelsfrei ist es dieser Gruppierung sehr unterschiedlicher Länder und Volkswirtschaften gelungen, sich international zu etablieren und sich zu einer ernsthaften Herausforderung zu mausern. ... Die Brics-Gruppe gibt inmitten der Globalisierungskrise der Weltordnung und dem Multilateralismus neue Impulse.“
Alternative Geldquellen tun sich auf
Mit der Brics-Erweiterung ergeben sich für Schwellenländer neue Perspektiven im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, unterstreicht La Tribune:
„Die Zukunft wird zeigen, ob es sich um eine historische Wende handelt. Mit der Erweiterung von 5 auf 11 Mitglieder knapp 22 Jahre nach ihrer Gründung hat die Brics-Gruppe jedoch bereits einen bedeutenden Meilenstein erreicht. ...[Das ist] ein Triumph für Peking und Moskau, die sich gegen die drei anderen Mitglieder Indien, Brasilien und Südafrika durchsetzen konnten. Die Schwellenländer erkennen damit, dass sie sich für ihre Entwicklungsfinanzierung nunmehr an eine Institution wenden können, die nicht die Weltbank oder der Internationale Währungsfonds ist.“
Nun liegt der Ball bei Russland
Diena sieht vorerst kein großes antiwestliches Bündnis entstehen - es sei denn, der Kreml drückt Brics+ seinen Stempel auf:
„Die erste Schlussfolgerung aus Sicht der westlichen Länder ist: Die Sorge, dass dieser spezielle Gipfel zu einer geopolitischen Wende oder einem Ereignis werden würde, bei dem ein pluralistischer und offen antiwestlicher Staatenbund zustande kommt, war stark übertrieben. ... Das einzige Problem besteht darin, dass dies alles nur jetzt so aussieht, denn das nächste Brics-Vorsitzland, bei dem auch die Verantwortung für die Koordinierung des Aufnahmeprozesses neuer Mitglieder liegen wird, ist Russland. Dort herrscht eine andere Stimmung als in Südafrika, dementsprechend wird der nächste Brics-Gipfel in einem Jahr in Kasan unter ganz anderen Zeichen stehen.“