Streit um Umweltzone: Dicke Luft in London
In London wurde die schon für das Zentrum geltende Umweltzone Ultra Low Emission Zone, kurz ULEZ, auf das gesamte Stadtgebiet ausgeweitet. Besitzer von Fahrzeugen, die die Emissionsstandards nicht erfüllen, müssen bei Nutzung nun täglich umgerechnet 14,50 Euro zahlen. Labour-Bürgermeister Sadiq Khan hat die Regelung trotz Protesten durchgesetzt. Bei Kommentatoren überwiegen Zweifel an der Maßnahme.
Die Ärmsten müssen blechen
Die Bevölkerung wird diese "Öko-Panik" nicht verzeihen, prophezeit The Sun:
„Wir haben es hier mit einem machtbesessenen Labour-Bürgermeister zu tun, der es darauf abgesehen hat, Geringverdiener, die am meisten unter der Krise der Lebenshaltungskosten leiden, auch noch von der Straße zu verdrängen. Er rechtfertigt seine lukrative neue Steuer mit Plattitüden über 'reine Luft', dabei ist die Londoner Luft seit drei Jahrhunderten nie sauberer gewesen als jetzt. Hinzu kommt statistische Quacksalberei. ... Wähler können ihn im kommenden Mai gegen einen Konkurrenten austauschen, der nicht von ideologischer und gerade angesagter Öko-Panik getrieben wird.“
Saubere Luft für alle!
Jeder, dem öffentliche Gesundheit am Herzen liegt, sollte die neue Regel begrüßen, meint The Guardian:
„Luftverschmutzung verursacht in London jährlich schätzungsweise 4.000 vorzeitige Todesfälle. Stickoxide aus Abgasen stellen hierbei gemeinsam mit Feinstaub, dessen Einatmen von Wissenschaftlern mit dem winziger Teerteilchen verglichen wird, die größte Gefahr dar. Diese Art der Luftverschmutzung schadet unverhältnismäßig stark Familien mit niedrigem Einkommen, die am ehesten an den Hauptverkehrsstraßen wohnen und die am seltensten ein Auto besitzen. Besonders schädigend ist sie für die wachsende Lunge von Kindern. Dass der Bürgermeister Sadiq Khan sich dem Druck widersetzt hat, die Einführung der Regelung zu verzögern oder abzuschwächen, ist ihm hoch anzurechnen.“
So holt man die Leute nicht ins Boot
Le Quotidien hat Verständnis für die Protestler und wirft der Regierung vor, die Ökowende abschreckend zu gestalten:
„Viele können es sich nicht leisten, ihr Fahrzeug zu wechseln, oder wohnen zu weit von ihrem Arbeitsplatz entfernt, um die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Die Rechnung ist wirklich gesalzen. ... Stellen wir uns vor, dass diese Maßnahme in Luxemburg ergriffen würde: Man kann sich den Aufschrei schon vorstellen. In London spricht man schon nicht mehr von der ökologischen Wende, sondern von einem ökologischen Fallbeil. Eine seltsame Methode, um die gesamte Bevölkerung zu einer Verhaltensänderung zu bringen. Jetzt ist sie stattdessen wütend.“
Lieber mit Anreizen steuern
Die Schweiz hat aus der Vergangenheit gelernt und verfolgt einen anderen Ansatz als London, beobachtet La Tribune de Genève:
„Das CO2-Gesetz scheiterte [in der Schweiz] vor zwei Jahren, weil es Schuldgefühle fördernde Neuerungen wie eine Steuer auf Flugtickets enthielt. Nun hat der Bundesrat seine Lektion gelernt: Die neue, für 2025 geplante Version enthält nichts dergleichen. ... Es ist also fraglich, ob die Einführung einer City-Maut wie in London eine sinnvolle Option für die Schweiz wäre. Bern prüft einige Projekte, um den Verkehr zu verflüssigen und zu entlasten, spricht aber eher vorsichtig von einer neuen Preisgestaltung für die Mobilität. In der Schweiz funktioniert es besser, Anreize zu schaffen, als mit Steuern zu bestrafen.“