London: Sunak will Klimaziele zurückschrauben
Der britische Premierminister Rishi Sunak hat eine Abschwächung der Klimaziele seines Landes angekündigt. Das Verkaufsverbot für neue Diesel- und Benzinfahrzeuge soll um fünf Jahre auf 2035 verschoben, die schrittweise Abschaffung von Gasheizungen verzögert werden. Sunak begründete den Vorstoß mit inakzeptabel hohen Kosten der Umweltmaßnahmen für die Bürger. Pragmatisch oder rückschrittlich?
Kurswechsel verbreitet Chaos und Unsicherheit
Mit seiner Ankündigung hat Sunak viele vor den Kopf gestoßen, meinen die Salzburger Nachrichten:
„Er verkaufte seine Änderungen an der grünen Agenda als Realismus. Die Wähler könnten den Schritt aber auch als Unfähigkeit zur Umsetzung interpretieren. … Sunak brüskierte nicht nur Klimaschützer sowie die internationale Gemeinschaft, auch viele Branchen auf der Insel reagierten geschockt auf den Kurswechsel. Unternehmen mögen es nicht, wenn die Regierung ihnen den Boden unter den Füßen wegzieht, vor allem wenn es um Milliardeninvestitionen in grüne Infrastruktur geht. Damit verbreitete der konservative Premier genau das, was er angeblich um jeden Preis vermeiden wollte: Chaos und Unsicherheit.“
Ein Fähnchen im Wind
Opportunismus auf der Jagd nach Wählerstimmen wirft The Guardian Sunak vor:
„Der Mann, der den von seinen beiden Vorgängern zerstörten Ruf seiner Partei als verantwortungsbewusste Partei wiederherstellen wollte, hat sich so selbst in die Liste der unehrenhaftesten und eigennützigsten Premiers seit Menschengedenken katapultiert. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Indem er mit Boris Johnsons grüner Politik bricht, ähnelt er diesem am meisten, indem er wie Johnson gefühllos und opportunistisch agiert, bereit, zu sagen und zu tun, was im Moment gefällt. ... Es ist ein Richtungswechsel, der an eine sich drehende Wetterfahne erinnert. Die Frage ist nur, ob er und seine Strategen verstanden haben, woher der Wind weht.“
Korrektur früherer Schnellschüsse
Sunak beweist mit diesem Richtungswechsel – anders als seine Vorgänger – Sinn für Pragmatismus, meint The Times:
„Es war Boris Johnson, der - sich als Staatsmann aufspielend- während der Vorbereitungen zum Klimagipfel Cop26 im Vereinigten Königreich übereilt das Verbot neuer Benzin- und Dieselfahrzeuge um ein Jahrzehnt vorzog. Es war Theresa May, die in den letzten Wochen ihrer Amtszeit eine planlose 90-minütige Parlamentsdebatte leitete, in der das rechtsverbindliche Ziel der Klimaneutralität bis 2050 in die Statute aufgenommen wurde. Beide Entscheidungen waren symptomatisch für eine politische Kultur, die beharrlich ihre Augen vor den wahren Kosten dieser Politik verschloss. Einer Politik, die die wirtschaftliche Landschaft Großbritanniens grundlegend umgestalten wird.“
Wichtige Vorbildfunktion wird aufgegeben
Mit der Aufweichung der Klimaziele schlägt Rishi Sunak den falschen Weg ein, kritisiert Financial Times:
„Großbritannien hatte eine Führungsrolle übernommen, indem es als erste große Volkswirtschaft das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gesetzlich verankerte. Wenn das Land nun diese moralische Vorbildfunktion hinter sich lässt, erhalten andere große Volkswirtschaften Rückendeckung, um ihre Bemühungen ebenfalls zu verlangsamen. Es wird auch schwieriger werden, Entwicklungsländer davon zu überzeugen, das Notwendige für den Klimaschutz zu tun. Außerdem werden die allgemeine Unsicherheit und das mangelnde Vertrauen in die Regierung und deren Zusagen nur noch weiter verschärft – etwas, dass dafür sorgt, dass die Unternehmensinvestitionen seit 2016 stagnieren.“