Trotz Gerichtsurteil: Sunak hält an Ruanda-Deal fest
Der britische Supreme Court hat Londons Pläne, Flüchtlinge ohne Asylverfahren nach Ruanda abzuschieben, am Mittwoch für rechtswidrig erklärt. Es bestehe die Gefahr, dass Asylsuchende von dort ohne faires Verfahren in ihre Heimatländer abgeschoben würden. Premier Rishi Sunak will Ruanda nun über eine "Notfall-Gesetzgebung" als sicheres Drittland einstufen lassen, um das Vorhaben dennoch durchzusetzen. Geteilte Ansichten in den Medien.
Urteil ist ein Sieg der Vernunft
Die Richter haben die populistische Politik der konservativen Regierung in die Schranken gewiesen, freut sich Kolumnist Martin Kettle in The Guardian:
„Die Ruanda-Politik war vom Anfang bis zum Ende eine reine Inszenierung, eine vorgetäuschte Antwort auf die tatsächlich bestehenden Probleme mit den Migranten-Booten, die nach Großbritannien kommen, einerseits und dem schrecklich großen Rückstau bei den Asylverfahren andererseits. Die obersten Richter, die sich mit ihrem von Vernunft geprägten Ansatz wohltuend von einer derzeit verrückten politischen Welt abheben, haben das nun klar gestellt. Sie haben sich für das Gesetz stark gemacht, so wie sie das sollen. Wenn doch nur die Regierung genau so agieren würde.“
Sein letzter Strohhalm
Die Regierung will und kann das Urteil nicht akzeptieren, analysiert De Volkskrant:
„Premier Rishi Sunak weigert sich, 'Ruanda' aufzugeben. Nach der Urteilsverkündung rief Sunak den ruandischen Präsidenten Paul Kagame an. Es soll nun einen echten, rechtsgültigen Vertrag geben, in dem das afrikanische Land zusichern muss, dass abgelehnte Asylbewerber nicht in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden. Damit will die Regierung in London dem Haupteinwand des Obersten Gerichtshofs entgegentreten. ... Wenn Sunak sein 'Stop the boats'-Versprechen nicht einlösen kann, ist auch die letzte Chance auf einen Wahlsieg verpasst.“
Britische Beamte nach Ruanda schicken
Wie London trotz des Urteils sein Ziel erreichen könnte, erklärt Verfassungsjurist Richard Ekins in The Daily Telegraph:
„Es gibt eine bessere Alternative. Sie besteht darin, das Ziel aufzugeben, die Bearbeitung von Asylanträgen nach Ruanda auszulagern. Stattdessen sollte eine sogenannte Offshoring-Politik eingeführt werden: Britische Beamte bearbeiten Asylanträge außerhalb des Vereinigten Königreichs, sei es in Ruanda oder in einem britischen Überseegebiet. Anerkannte Flüchtlinge könnten sich dann in sicheren Drittländern niederlassen. ... Wenn britische Beamte Asylanträge bearbeiten, gibt es keinen Grund, warum Ruanda kein sicheres Drittland für die Niederlassung sein könnte.“
Dänemark sollte sich nicht entmutigen lassen
Für die dänischen Pläne, Asylverfahren auszulagern, ist das Urteil nicht von Belang, meint Berlingske:
„Es geht nur um e i n Land (Ruanda) und e i n Modell (das britische). Was Dänemark angeht, so hat das Danish Institute for Human Rights festgestellt, dass die Auslagerung von Asylverfahren in ein Drittland nicht gegen internationales Recht verstößt. Überdies ist Italien gerade erst ein entsprechendes Abkommen mit Albanien eingegangen. Nein, das britische Urteil darf Dänemark nicht aufhalten. Im Gegenteil, es muss Anlass sein, sich noch stärker für ein gerechteres und tragfähigeres Asylsystem einzusetzen. ... Das heutige [europäische] System funktioniert einfach nicht. ... Und in Europa wird sich nichts bewegen, solange einzelne Länder nicht vorangehen. Dänemark sollte eines dieser Länder sein.“
Wasser auf die Mühlen seiner Gegner
Sunak schlug alle Warnungen in den Wind und muss nun mit politischen Folgen rechnen, kritisieren die Salzburger Nachrichten:
„Die Misere, in der die britische Tory-Regierung nach dem Urteil des Obersten Gerichtshof steckt, kommt alles andere als überraschend. Premier Rishi Sunak, der die Ruanda-Pläne von seinem Vor-Vorgänger Boris Johnson übernahm, trieb das umstrittene Vorhaben entgegen aller Warnungen voran. Dabei war längst klar, dass es zum Scheitern verurteilt war. ... Er wollte anders sein als seine Vorgänger Johnson und Liz Truss, die den Menschen im Land das Blaue vom Himmel versprachen. Indem Sunak an den Ruanda-Plänen festhielt, setzte er deren populistische Politik fort. Das ist Wasser auf den Mühlen seiner politischen Gegner.“