Frankreich: Wird Abtreibung zum Grundrecht?
Nach der Nationalversammlung stimmte am Donnerstag auch der französische Senat klar dafür, das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in die Verfassung aufzunehmen. Die nun noch erforderliche Drei-Fünftel-Mehrheit bei einer gemeinsamen Abstimmung im März gilt als Formsache. Die freie Entscheidung für eine Abtreibung soll so besser geschützt werden. Die Presse ist uneins, ob das sinnvoll und nötig ist.
Nichts als Marketing
Das Ganze ist ein reiner Schaukampf, schimpft Le Figaro:
„Das Vorhaben ändert rein gar nichts am bestehenden Recht, da es sich darauf beschränkt, zu bestätigen, dass es natürlich dem Gesetzgeber obliegt, die Bedingungen festzulegen, unter denen Frauen einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen können, was seit jeher der Fall ist. Dieser plakative Text ist PR für neofeministische Aktivistinnen, die Abtreibung zur unüberschreitbaren Grenze ihrer 'Rechte' erklären und davon träumen, das Wort in der Verfassung aufgeführt zu sehen. … Die Neofeministinnen prangern gern 'deplatzierte' Äußerungen und Gesten von Männern an. Man sollte ihnen sagen, dass die Aufnahme des Schwangerschaftsabbruchs in die Verfassung genauso deplatziert wäre.“
Schutz gegen politische Schwankungen
Der Frankreich-Korrespondent der taz, Rudolf Balmer, hebt die Bedeutung der Verfassungsgarantie hervor:
„Wie in anderen Ländern – und nicht nur in den USA sind die Errungenschaften des Abtreibungsrechts gefährdet – war es in Frankreich bisher durchaus möglich, dass der Gesetzgeber mit einer reaktionären Mehrheit diese Freiheit wieder einschränkt oder streicht. Dieses Risiko wird jetzt in Frankreich, wo eine dramatische Rechtswende nicht auszuschließen ist, mit einem Zusatz in der Verfassung weitgehend ausgeschlossen. ... [Die Abgeordneten] liefern so der restlichen Welt einen Weg, um die Frauenrechte gegen politische Schwankungen zu schützen. Für ein Mal wird Frankreich seinem Anspruch, seit der Aufklärung eine universelle Vorreiterrolle zu spielen, gerecht.“