Iran greift Israel an: Wie gefährlich ist die Lage?
Der Iran hat Israel am Sonntag erstmals direkt angegriffen. Mehr als 300 Drohnen und Raketen habe Teheran abgefeuert, so die israelischen Streitkräfte; mit Hilfe von Verbündeten habe man jedoch 99 Prozent davon unschädlich machen können. Nachdem am 1. April sieben Revolutionsgardisten in Damaskus getötet worden waren, hatte Iran Israel beschuldigt und Vergeltung angekündigt. Europas Presse beurteilt die Tragweite des Angriffs sehr unterschiedlich.
Eine kontrollierte Aktion, um Schlimmeres zu verhindern
Der iranische Angriff ist nicht der Beginn eines Krieges, meint 24 Chasa:
„Man kann es als eine gelungene Inszenierung bezeichnen, bei der alle Akteure, darunter auch die westlichen Partner USA, Großbritannien und Frankreich, auf ihre Rollen vorbereitet waren, so dass alles unter Kontrolle und im vorgegebenen Rahmen blieb. Die Iraner mussten ein Zeichen setzen, weil nach dem Angriff auf ihr Konsulat in Damaskus das gesamte politische Spektrum in Teheran kategorisch eine Gegenreaktion verlangte. ... Das war eine kontrollierte Aktion in einem begrenzten Rahmen, die durchgeführt wird, um einen größeren Zusammenstoß zu verhindern.“
Die Nato des Nahen Ostens funktioniert
Mitentscheidend für den geringen Schaden war das regionale Bündnis gegen Teheran, wirft La Repubblica ein:
„Wenn es Israel gelungen ist, die iranischen Bombenwellen zu stoppen, so lag das nicht nur an der Effizienz seiner Flugabwehr. Der Erfolg war vor allem dem Bündnis mit den sunnitischen Ländern zu verdanken, das von den Vereinigten Staaten vermittelt und geleitet wurde. Im Zuge der Abraham-Abkommen wurde nämlich ein weiteres, viel engeres und effizienteres Netz gewoben, das Mead oder Middle East Air Defence genannt wird. Ein streng geheimer Pakt, der Radarinformationen zusammenführt und die Einsätze von Kampfflugzeugen und Boden-Luft-Batterien zahlreicher arabischer Staaten koordiniert, die mit dem jüdischen Staat durch den Wunsch verbunden sind, Teherans Raketenmacht zu stoppen.“
Von diesem Support kann die Ukraine nur träumen
Die erfolgreiche Abwehraktion zeigt, was eine geeinte westliche Unterstützung bewirken kann, analysiert Les Echos:
„Teheran hat mit seiner Aktion auch die überwältigende technologische Überlegenheit des jüdischen Staates und seines Hauptverbündeten, der USA, demonstriert. ... Die fast absolute Wirksamkeit des 'Iron Dome' kann den Iranern nur zu denken geben und nebenbei die Ukrainer zum Träumen bringen. Wenn Kyjiw doch nur einen kleinen Teil der Verteidigungsfähigkeit Israels hätte! Warum ist dem nicht so? Sicherlich sind die geographischen Umstände nicht die gleichen. Israel hat lediglich die Größe einiger französischer Departements, die Ukraine ist so groß wie Frankreich. Dennoch beweisen die Ereignisse, dass Russland nur durch unsere Schwächen stark ist.“
Israel wird zurückschlagen
Visão glaubt nicht, dass sich Israel zurückhalten wird:
„Es ist lächerlich zu glauben, dass Israel trotz der Appelle von Biden und London nicht auf Teheran reagieren wird. Der israelische Staat hat seine Sicherheit, seine Souveränität und seine Existenz nie in die Hände anderer gelegt. Und um sicherzustellen, dass er 'nie wieder' ausgelöscht werden kann, verfügt er über ein mächtiges Arsenal an Atomwaffen. Israel hat lange nach einem Grund gesucht, den Iran wegen seiner Rolle als Finanzier und Waffenlieferant verschiedener Terrorgruppen direkt anzugreifen, und jetzt ist die Zeit gekommen. Dieser dritte Krieg in der Welt, in einer gefährlichen Region, zwischen Nationen, die bis an die Zähne bewaffnet sind, könnte katastrophale Folgen haben.“
Iran in die Schranken weisen
Die internationalen Rufe nach Zurückhaltung Israels kann The Daily Telegraph nicht nachvollziehen:
„Wieder einmal wurde Israel angegriffen, nur um dann gesagt zu bekommen, es solle keine Vergeltung üben, einen diplomatischen Weg einschlagen und vor allem die Lage in einer ohnehin schon instabilen Region nicht noch weiter verschlimmern. Dabei ist es nicht Israel, das den ganzen Ärger verursacht hat, sondern der Iran. Es sind die Ajatollahs in Teheran, die die Hamas finanzieren und sie zum mörderischen Pogrom von vergangenem Herbst ermutigt haben. ... Es ist der Iran, der die Hisbollah im Libanon bewaffnet und finanziert. ... Der einzige Weg, mit Teheran umzugehen, ist aus einer Position der Stärke heraus. “
Chance für mehr Druck auf Hamas
Politologe Abbas Galliamow sieht auf Facebook neuen diplomatischen Spielraum im Gaza-Krieg:
„Israel könnte seine Position gegenüber Iran gegen die Position seiner Verbündeten in Bezug auf den Gazastreifen eintauschen. Es könnte auf einen direkten Schlag gegen Iran verzichten und stattdessen seine Partner auffordern, klarer von der Hamas zu fordern, die Macht abzugeben. Denn bisher bleiben sie schwammig: In letzter Zeit fordert man nur die Freilassung der Geiseln. Das gibt der Hamas die Hoffnung, dass sie in Gaza an der Macht bleiben kann. Solche Illusionen müssen ausgeräumt werden. Sowohl die Islamisten als auch einfache Palästinenser müssen erkennen, dass nicht nur Israel, sondern die ganze zivilisierte Welt auf ihrer Absetzung besteht.“
Aktuelle Machthaber brauchen den Konflikt
Politiken beunruhigt, dass auf beiden Seiten keine gemäßigten Kräfte die Macht innehaben:
„Das Besorgniserregende ist, dass die klerikale Herrschaft [im Iran] und die Netanjahu-Regierung eine Art unheimliches Spiegelbild voneinander sind. ... Netanjahu droht bei den Wahlen, die sicherlich nach dem Gaza-Krieg kommen werden, ein Machtverlust. Er hat daher ein zynisches politisch-taktisches Interesse daran, den Krieg zu verlängern und vielleicht auszuweiten. Auch das klerikale Regime im Iran ist zutiefst unpopulär und hat ein Interesse daran, dass der Konflikt die Wut der Bevölkerung von der Unterdrückung und der miserablen wirtschaftlichen Lage im Land ablenkt. ... Hoffentlich kann ein großer Krieg vermieden werden. Aber die Gefahr wird bestehen bleiben, bis sowohl Iran als auch Israel neue Führer haben.“