Russland: Vize-Verteidigungsminister festgenommen
In Moskau ist der für das Bauwesen des Militärs zuständige Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow festgenommen worden. Dem vermögenden Spitzenbeamten, der als enger Vertrauter seines Chefs Sergej Schoigu gilt, wird die Annahme von Bestechungsgeldern vorgeworfen. Kommentatoren fragen sich, was dahinter stecken könnte.
Die Repression frisst ihre Kinder
Politologe Abbas Galliamow glaubt auf Facebook nicht an die offizielle Begründung der Festnahme:
„Eine schöne Geschichte, die die Sitten [der Führungsebene] illustriert. Denn Korruption als solche ist in Putins Augen nicht im Geringsten ein Verbrechen. Handelt es sich um die Korruption von jemandem, für den ein Mitglied von Putins informellem Politbüro eintritt, dann ist alles okay. ... Doch wie nett, dass ihre Spionage-Manie ein solches Ausmaß erreicht hat, dass sie beginnen, ihre eigenen Leute zu verdächtigen. Als diese Narren schrien, dass es 'ein 1937 braucht', wurden sie gewarnt, dass 1937 nicht nur die Opposition, sondern auch sie selbst treffen würde. ... Nun gibt es die Quittung: 'Sie waren im Urlaub an der Côte d'Azur? Aha, französischer Spion!'“
Möglicherweise nur der Anfang
La Stampa vermutet einen internen Machtkampf:
„Eine sensationelle Verhaftung, die nach Ansicht vieler Moskauer Kommentatoren auf eine interne Auseinandersetzung im Kreml hindeutet, vielleicht auch auf einen Angriff auf Verteidigungsminister Sergej Schoigu, der Putin schnelle und schmerzlose Siege versprochen hatte. Auf jeden Fall scheinen Iwanow und Schoigu dem 'existenziellen' Krieg, den Putin zur Aufgabe seines neuen Kremlmandats gemacht hat, nicht gewachsen zu sein.“
Der Sündenbock ist gefunden
Putin wollte wieder einmal zeigen, wer im Kreml das Sagen hat, glaubt Ilta-Sanomat:
„Der Zeitpunkt der Verhaftung war auch deshalb günstig, weil Putin nach der inszenierten Präsidentschaftswahl im März seine wachsende Macht demonstrieren will. Putins engste Führungsriege ist dafür bekannt, dass gegen sie nur sehr selten strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet werden. Von Zeit zu Zeit muss Putin jedoch die Disziplin wiederherstellen und Säuberungen in den eigenen Reihen vornehmen. Iwanow eignet sich als Sündenbock, um anderen korrupten Führern Angst einzujagen. Iwanow könnte auch für einige der Misserfolge der russischen Streitkräfte in der Ukraine verantwortlich gemacht werden.“
Seine Pfründe plündern nun andere
Der Oppositionspolitiker und Videoblogger Maxim Katz glaubt in Echo nicht, dass es um Machtspiele geht:
„Viele Schlaumeier werden nun große politische Schlüsse ziehen und sagen, dass Schoigus Turm zugunsten eines anderen Turms geschwächt wurde. Aber nach dem, was wir momentan sehen, gibt es aktuell keine politische Logik dahinter. Es ist in unserer glorreichen Schlangengrube Gleichgesinnter, wo alle einig und füreinander da sind, sich aber bei der ersten Gelegenheit gegenseitig an die Kehle gehen, einfach nur ein bisschen unruhiger geworden. Die Dollarmilliarden, die über Iwanow geflossen sind, werden jetzt über jemand anderen fließen.“