Zwei Jahre russischer Großangriff auf Ukraine: Was nun?
Mindestens 10.000 tote ukrainische Zivilisten, 6,5 Millionen Flüchtlinge und 3,7 Millionen Binnenflüchtlinge laut UN: Das ist die traurige Bilanz, seit Russland am 24. Februar 2022 seinen Großangriff auf die Ukraine startete. Bei den Gefallenen laufen die Schätzungen bis in die Hunderttausende, Selenskyj sprach zuletzt von 31.000 gefallenen Ukrainern. Wie soll es in diesem Krieg jetzt weitergehen? Europas Presse schaut auf heute und nach vorn.
Besser Zugeständnisse als weiter so
Ein Nachgeben gegenüber russischen Forderungen darf nicht länger tabu sein, meint Times of Malta:
„Wegen der Pattsituation steigt die Bedeutung diplomatischer Gespräche. Vielleicht hat der mangelnde Fortschritt auf militärischer Ebene gezeigt, wie unvermeidlich solche sind. Verhandlungen könnten dazu führen, dass einige von der ukrainischen Seite skizzierte rote Linien neu gezogen werden. Das könnte insbesondere die Krim und vielleicht sogar einige Teile der im Osten besetzten Gebiete betreffen. ... Verhandlungen mit einem Aggressor und einem Tyrannen könnten zwar ein falsches Signal aussenden. Doch die Fortsetzung des Krieges würde die humanitäre Tragödie in der Region wohl weiter verschlimmern.“
Krieg gegen das Böse
Politologin Daniela Nunes schreibt in Expresso, dass es sich die Europäer nicht leisten können, den Krieg zu ignorieren:
„Das Risiko von Putins revisionistischem Projekt ist nicht ukrainisch, litauisch, polnisch, estnisch oder bulgarisch: Es ist europäisch. Das Eingehen dieses Risikos auf der Krim im Jahr 2014 führte zu einer 'militärischen Spezialoperation' im Jahr 2022. Wenn wir zulassen, dass sich dieses Verhalten fortsetzt und die Geschichte zurückgedreht wird, werden wir uns alle in der Lage der Ukrainer wiederfinden, die jetzt um militärische, materielle und logistische Hilfe bitten. Deshalb darf diese Hilfe nicht aufhören. Denn wir verteidigen nicht nur ein Volk gegen einen ungerechtfertigten Territorialstreit: Es ist ein Krieg des Guten gegen das Böse. “
Russland schafft Tatsachen in besetzten Gebieten
Der Angriff auf die Ukraine wird von Russland mit Zwangsumsiedlungen noch verstärkt, konstatiert Expressen:
„Während der Kreml Millionen Ukrainer aus den besetzten Gebieten nach Russland abschiebt, findet auch eine groß angelegte Einwanderung ethnischer Russen statt. Dabei geht es sowohl um die Umsiedlung von Beamten und ihren Familien in besetzte Gebiete der Ukraine als auch darum, dass russische Behörden arme Russen mit günstigen Hypotheken und Jobs anlocken. ... Ein unangenehmes Echo der Bevölkerungsaustauschpolitik der Sowjetunion. ... Wenn die Ukraine fällt, würde nicht nur das ukrainische Volk seine Freiheit und Identität verlieren, sondern ein siegreiches Russland würde auch eine tödliche Bedrohung für seine Nachbarn darstellen.“
Riskantes Warten auf Waffen
Politologe Wladimir Pastuchow findet die ukrainische Durchhaltestrategie in einem von Echo übernommenen Telegram-Post bedenklich:
„Die ukrainische Führung setzt darauf, dass sich ihre Armee eingräbt um durchzuhalten, bis die öffentliche Meinung und die Politik des Westens umschwenken und die Ukraine neue Waffen erhält, die nicht nur die Front stabilisieren, sondern auch eine zweite Gegenoffensive ermöglichen. ... Doch gibt es Risiken. Wenn eine Deckungslücke zwischen dem Druck der russischen Streitkräfte und der westlichen Hilfe auftritt, wird Selenskyjs Abwarten zum Zusammenbruch der Front führen. In diesem Fall würden Waffenstillstandsverhandlungen unter völlig anderen Bedingungen geführt – und die Demarkationslinie dürfte eher am Dnjepr verlaufen.“
Das Verhältnis ist schwieriger geworden
Die katholische Wochenzeitung Gość Niedzielny bedauert die abnehmende Empathie für die Ukraine in Polen:
„Heute, am zweiten Jahrestag der russischen Aggression gegen die Ukraine, scheinen die Spannungen zwischen Polen und Ukrainern ihren Zenit erreicht zu haben. .... Die Brüder, die sich in die Arme fallen und bereit sind, sich gegenseitig zu unterstützen, sind gleichzeitig Brüder, die Wunden tragen, die der Feind ihnen zugefügt hat, und anfällig für seine Manipulationen sind. Der Neid führt dazu, dass die einen die sozialen Privilegien der Flüchtlinge mit Argwohn betrachten, die Habgier treibt andere dazu, mit dem Krieg Geschäfte zu machen, und die Heuchelei vermischt die Hilfsbemühungen mit politischen Absichten. “
Geschlossenheit in Moskau
Früher gab es noch Anzeichen für Konkurrenzkämpfe innerhalb der russischen Eliten, doch das ist nun vorbei, schreibt 24 Chasa:
„Es gab Spannungen zwischen dem FSB (früher KGB) und dem Verteidigungsministerium. Der FSB beschuldigte Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow der Inkompetenz. Und das nicht zu Unrecht – im Jahr 2022 hatten sie eindeutig kein Gespür für die Realität. Doch nach der Rebellion von Jewgeni Prigoschin und seiner privaten Militärfirma Wagner übernahm das Duo Schoigu-Gerassimow die Macht und niemand wagt es mehr, sie in Frage zu stellen.“
Waffenengpässe in Russland als Chance
Die Ukraine sollte in die Lage versetzt werden, künftige Engpässe Russlands ausnutzen zu können, schreibt Blogger Roman Schrajk in Gordonua.com:
„Nach Berechnungen von Militäranalysten wird die Situation mit dem Kriegsgerät in Russland in einem Jahr viel schlimmer sein. In vielen Bereichen werden sie in den Modus 'was produziert wird, geht [sofort] an die Front' umschalten müssen, wie es bei Raketen bereits der Fall ist. … Und da könnten wir uns freuen, aber mit den Waffenlieferungen an die Ukraine gibt es noch größere Probleme. ... Es wäre wahnsinnig schade, wenn die russische Armee Anfang 2025 mit einem Loch in der Tasche dastehen würde, aber wir es nicht ausnutzen könnten, da unser Loch noch größer ist.“
Weitermachen, auch wenn es schwierig aussieht
Politiken zieht einen historischen Vergleich:
„Angesichts der Gefahr, dass Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt, ist es von entscheidender Bedeutung, dass Europa es schafft, sich zu einem erneuerten und verstärkten Einsatz für die Ukraine zusammenzuschließen. Auch wenn es im Moment schwierig aussieht, kann sich die Situation schnell ändern. Das haben wir im Zweiten Weltkrieg gesehen. Nach zwei Jahren Krieg schien Nazi-Deutschland unbesiegbar. Nach drei Jahren wendete sich das Kriegsglück und von da an wussten die meisten, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis Hitler zusammenbrach. Möge Russland und Putin dasselbe passieren.“
Moskau könnte von allen Seiten angreifen
Der Krieg beginnt gerade wieder von vorne, befürchtet Avvenire:
„Hatte die russische Invasion mit Vorstößen entlang vierer Linien begonnen, nämlich im Norden in Richtung Kyjiw, im Osten in Richtung Charkiw, im Süden an der Krim und im Südosten im besetzten Donbass, so erwartet die Ukraine seit Tagen eine Wiederholung eben dieser Zangenbewegung. Vielleicht ist das mehr Angst als reale Gefahr. Tatsache ist, dass eine neue Bodenoffensive auf Kyjiw und Charkiw wieder in Erwägung gezogen wird. Und die Grenzen werden zu einem Gespenst, das es zu bewachen gilt. All dies in Verbindung mit der Eskalation der Angriffe aus der Luft auf das ganze Land mit zunehmend 'unsichtbaren' Raketen und Drohnen, die in Schwärmen abgeschossen werden. “
Drohnen als möglicher Gamechanger
Eine Möglichkeit, wie die Ukraine die Überlegenheit auf dem Schlachtfeld erlangen kann, beschreibt gazeta.ua:
„Hätte die ukrainische Armee vor zwei Jahren die gleichen Erfahrungen mit dem Einsatz von Drohnen gehabt wie heute, wäre die Invasion gleich zu Beginn gescheitert. Es findet eine echte Revolution in der Anwendung von Drohnen in der Kriegsführung statt, die mit der Erfindung von Feuerwaffen vergleichbar ist. Drohnen ersetzen Flugzeuge, Artillerie, Panzer und Scharfschützen. ... Unter solchen Umständen müssen sich Armeen verändern. ... Aber am Ende könnte dieser Wandel der Strohhalm sein, der die Ukraine aus der Sackgasse verhelfen und ihr den gewünschten technologischen Vorteil im Kampf gegen einen viel stärkeren Feind verschafft.“
Graben zwischen Politik und Volk
Adevărul-Kolumnist Cristian Unteanu geht auf die aktuellen Umfragen ein:
„Wenn das stimmt, zeigt es eine deutlich sichtbare Wahrnehmungslücke zwischen der Öffentlichkeit, die zahllosen Belastungen ausgesetzt ist, von der Pandemie bis zu den wirtschaftlichen Folgen von Konflikten, und ihren politischen und militärischen Entscheidungsträgern, die einer bestimmten Vision verhaftet sind und die Wirtschaft teils schon so umgestellt haben, dass die Ukraine die versprochene massiven Waffenlieferungen erhält. … Man wird sehen, ob diese Umfrageergebnisse nennenswerte Auswirkungen auf die Frage haben werden, wie ab Juni die europäische politische Bühne aussehen wird.“
Kriegsmüdigkeit wird zur kritischen Herausforderung
La Vanguardia beobachtet eine verständliche, aber gefährliche Entwicklung:
„Der Kreml wird den Krieg fortsetzen, bis er seine Ziele erreicht hat. ... Und Kyjiw weiß, dass die vollständige Befreiung der russisch besetzten Gebiete und eine Rückkehr zu international anerkannten Grenzen eine unmögliche Forderung ist. Auch in der ukrainischen Bevölkerung machen sich Zweifel an einem Sieg breit. Diese Skepsis ist verständlich, denn die tragische Realität nährt ihre Müdigkeit, und ihre Moral leidet unter der täglichen Mühsal. Sie musste den Tod von Tausenden von Soldaten und Zivilisten erleben. ... Der Konflikt wird sich wohl in die Länge ziehen und könnte zunehmend von einer 'Ukraine-Müdigkeit' belastet werden. Eine Herausforderung für Europa, denn es stehen westliche Werte und Interessen auf dem Spiel.“
Defätismus verbietet sich
Europa darf jetzt nicht aufgeben, mahnt Le Figaro:
„Die Priorität muss darin bestehen, Kyjiw dabei zu helfen, die kritische Phase 2024 zu überstehen, und währenddessen unsere Verteidigungsindustrie auf Hochtouren zu bringen. … Defätismus in Bezug auf die Ukraine würde unser Schicksal für lange Zeit besiegeln. Donald Trump plant im Falle seiner Wahl die Abschreckungsfähigkeit der Nato zu untergraben. Es besteht die Gefahr, dass Europa morgen dem Machtwillen eines autoritären russischen Imperiums alleine gegenübersteht. … Europa steht vor einer existenziellen Wahl: Entweder lässt der Kriegsherr aus dem Kreml Europa in Stücke reißen oder er macht es zu einer Kraft, die ihm die Stirn bieten kann.“
Wieder ein Eiserner Vorhang?
Neatkarīgā macht sich Sorgen:
„Wenn das Ziel des Krieges für Russland und die Ukraine darin besteht, zu gewinnen, dann hat der Westen ein ganz anderes Hauptziel: einen Krieg auf eigenem Boden zu verhindern. ... Die Menschen sind bereit, allem zuzustimmen, nur um einen Krieg zu vermeiden. ... Mit anderen Worten: Der Westen kann so viel über dauerhafte Hilfe für die Ukraine reden, wie er will, tatsächlich sieht er die Ukraine bereits als dem Untergang geweiht an. ... In Europa wächst die Überzeugung, dass Putin nach der Kapitulation der Ukraine nicht mit Panzern zu ihnen kommen wird. Dann lebt man eben wieder wie im Kalten Krieg.“
Glaube an siegreichen Widerstand schwindet
Večernji list stellt mit Bezug auf eine Studie des European Council on Foreign Relations fest, dass sich die Einstellung der Europäer im vergangenen Jahr geändert hat:
„Die Unterstützung für die Ukraine unter den Europäern ist weiterhin groß, aber heute, zwei Jahre nach der russischen Invasion, glauben kaum zehn Prozent der Europäer, dass die Ukraine Russland besiegen kann. ... Die Europäer sehen eine 'Kompromisslösung' als wahrscheinlichste Lösung des Konfliktes. ... Letztes Jahr um diese Zeit glaubten mehr Europäer, die Ukraine müsse ihr gesamtes verlorenes Territorium zurückgewinnen, doch nun glauben mehr daran, dass die Politiker einen 'realistischeren' Ansatz finden müssen, der sich darauf konzentriert zu definieren, was ein annehmbarer Frieden wäre.“
Abgestumpft und entmenschlicht - oder tot
Der ukrainische Schriftsteller Andriy Lyubka zieht in Expresso Fazit:
„In den zwei Kriegsjahren haben wir gelernt, dem Schicksal zu vertrauen. Wir haben uns an die Toten um uns herum gewöhnt und uns mit dem Gedanken an unseren eigenen plötzlichen Tod abgefunden. Wir reagieren nicht mehr so stark auf schreckliche Nachrichten, unsere emotionale Haut ist dicker geworden. Oder sie ist allmählich verblasst, denn mit jedem weiteren Tag des Schreckens, der unser Leben bestimmt, sind wir alle langsam gestorben. Es stirbt das Menschliche, das Normale in uns. Jeder ist ein Opfer des Krieges geworden, sowohl diejenigen, die durch den Krieg getötet wurden, als auch diejenigen, die das Glück hatten, (bisher) zu überleben.“
Der Wendepunkt war schon 2014
Der Wandel in der russischen Gesellschaft hat schon früher begonnen, stellt Ökonom Wladislaw Inosemzew in The Moscow Times fest:
„In den zehn Jahren seit dem Anschluss der Krim gab es eine extrem tiefgehende Transformation der russischen Gesellschaft. Nach und nach ist es dem Kreml gelungen, die Russen zu zwingen, den Abbruch bestehender Bindungen mit der Welt zu akzeptieren, gefügig den Gürtel enger zu schnallen und sich nicht gegen die Anhebung des Rentenalters und die Vervielfachung der Militärausgaben zu wehren. Wir waren Zeugen, wie in diesen zehn Jahren spontane Demos von den Straßen und Plätzen verschwanden und die Unterstützung für alternative Politiker grotesk gering geworden ist. ... Selbst die 'Spaltung der Eliten', die fast alle Oppositionellen vorausgesagt hatten, ist nicht eingetreten.“
Russland hat nichts erreicht
Putin hat keines seiner selbstgesteckten Kriegsziele erreicht, analysiert e-vestnik:
„Die sogenannte Entnazifizierung ist gescheitert. Sie ist auch prinzipiell unmöglich, weil es in der Ukraine kein Nazi-Regime gibt. ... Die Entmilitarisierung ist ebenfalls gescheitert. Russland hat das Gegenteil erreicht - die Ukraine ist heute um ein Vielfaches besser bewaffnet als vor dem Krieg. ... Die Expansion der Nato ist ebenso wenig gestoppt worden, im Gegenteil. Traditionell neutrale Länder wie Finnland und Schweden sind der Nato beigetreten [oder stehen kurz davor], weil sie Angst vor dem russischen Aggressor haben. Die Ukraine ist ein Beitrittskandidat und ihre Bevölkerung befürwortet die Nato-Mitgliedschaft nun in viel größerem Ausmaß.“
Mutiger und schneller helfen
In Eesti Päevaleht fordert Timothy Garton Ash:
„Die Politiker der größeren europäischen Länder sollten von den kleineren Ländern wie Dänemark, der Tschechischen Republik und Estland lernen. Angesichts der kritischen Lage an der ukrainischen Front müssen sie mutiger, schneller und entschlossener sein. Und sie müssen eine direktere, leidenschaftlichere und inspirierendere Sprache finden - die Art von Sprache, die Scholz' Vorbild, der ehemalige Bundeskanzler Willy Brandt, sicherlich verwendet hätte. Wir müssen die Gesellschaft wachrütteln, die immer noch ein bequemes Leben im Frieden genießt und in der viele glauben, dass dieser Krieg bald mit einem Kompromiss und Frieden enden wird.“
Sanktionen haben für die Niederlande keine Priorität
Dass die Wirtschaftssanktionen gegen Russland nur halbherzig umgesetzt werden, stellt NRC-Kolumnist Hubert Smeets fest:
„Das Umgehen der westlichen Sanktionen ist ein ganz neuer Wirtschaftszweig geworden, nicht nur in Moskau, wo Strohmänner dank des Kriegs gutes Geld verdienen, sondern auch in den Niederlanden, wo für die Behörden die Durchsetzung des Gesetzes beim Handel mit Russland keine Priorität hat. ... Unter dem Vorwand der grundsätzlichen Ablehnung von Handelshindernissen ist das Zudrücken von Augen offensichtlich noch immer ein Pfeiler der niederländischen Handelskultur geblieben, trotz des europäischen Kriegs, der seit 2022 auch die nationale demokratische Rechtsordnung bedroht.“
Viele stolze Ukrainer
In der Neue Zürcher Zeitung meint der in der Ukraine lebende Schriftsteller Christoph Brumme, dass die Menschen trotz Krieges ihre Freiheit schätzen:
„Nie zuvor waren so viele Ukrainer stolz auf ihre Kultur, nie wurden mehr Lieder über die Liebe zu dieser Heimat gesungen. Mehr denn je weiss man es zu schätzen, in einem freien Land zu leben, in dem trotz Kriegsrecht die Politik der Regierung kritisiert und gegen sie demonstriert werden kann. Im Land des Todfeinds wird man für das Vorlesen der Verfassung oder für das Hochhalten eines leeren Blatts Papier auf einem öffentlichen Platz eingebuchtet.“
Es hätte auch das Baltikum treffen können
Neatkarīgā kommentiert:
„Wenn man heute auf die Ereignisse von vor zwei Jahren zurückblickt, kann man nur zu einer Schlussfolgerung kommen: Wir alle (in Lettland und im Baltikum) hatten außerordentliches Glück, dass Putin die Ukraine als sein Ziel ausgewählt hat. Wenn er daran gedacht hätte, die Nato zu involvieren und in die baltischen Staaten einzumarschieren, um in Riga, Tallinn und Vilnius eine kremlfreundliche Regierung zu installieren (wahrscheinlich auch ohne formelle Annexion), dann wäre die Nato Anfang 2022 wohl kaum in der Lage gewesen, eine Eingliederung der baltischen Staaten in die russische Herrschaft zu verhindern. ... Glücklicherweise ist die Nato heute nicht mehr dieselbe Nato wie Anfang 2022.“
Gemeinsame Verteidigung könnte platzen
Es ist auch ein Krieg um die öffentliche Meinung und die Wahlen im Westen, warnt L'Obs:
„So findet der Kreml Verbündete inmitten des US-Senats. ... Wird Europa in einigen Monaten allein gegen einen verrückt gewordenen russischen Imperialismus stehen? Kann der Traum einer gemeinsamen Verteidigung, geboren aus den Trümmern von 1945, noch Wirklichkeit werden? In einer Zeit, in der rechtsextreme Bewegungen die prorussischen Positionen des ungarischen Führers Viktor Orbán stärken könnten, ist dies eine der existenziellen Fragestellungen der bevorstehenden Europawahlen am 9. Juni.“
Nicht an den Status quo gewöhnen
El Periódico de Catalunya spekuliert:
„Ein Großteil Europas hat sich anscheinend an den Krieg in der Ukraine gewöhnt, obwohl die Invasion in der Ukraine und die Einmischung Russlands in die europäische Politik zweifellos eines der zentralen Themen auf der Münchner Sicherheitskonferenz sein werden. ... [Der ehemalige UN-Generalsekretär] Boutros Boutros-Ghali sagte, dass man eine Krise nicht lösen kann, wenn man nicht über sie spricht. Das ist beim Krieg in der Ukraine nicht der Fall, aber immer mehr Stimmen fordern, die Ukraine solle den Donbas aufgeben. ... Das wäre ein gefährlicher Präzedenzfall, denn er würde gegen das Prinzip verstoßen, dass die Grenzen europäischer Länder nur mit ihrer ausdrücklichen Zustimmung geändert werden können.“
Es geht um Europas Zukunft
Warum Europa in der Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen darf, bringt der französische Außenminister Stéphane Séjourné in Le Monde auf den Punkt:
„Wir dürfen der Versuchung von Überdruss oder Gleichgültigkeit nicht nachgeben. ... Die heutigen Bemühungen um die Ukraine sind nichts im Vergleich zu den Anstrengungen, die wir gegen ein sich als Sieger fühlendes Russland unternehmen müssten. Lassen Sie uns die Kontrolle über die Energie- und Lebensmittelpreise behalten, die Kontrolle über unsere Freiheit und unser Schicksal! Entschließen wir uns für Einheit anstatt Spaltung, als Land und als Europäer! Europa ist ein Friedensprojekt, und die Zukunft Europas wird in der Ukraine entschieden.“
Luftkampf verstärken und neue Soldaten rekrutieren
Welche Optionen der neue ukrainische Militärchef Oleksandr Syrsky hat, analysiert Spotmedia:
„Der neue Kommandant steht vor zwei großen Herausforderungen, die sein Vorgänger nicht bewältigen konnte: die fehlende Kontrolle des Luftraums und die schwindende Zahl der Kampftruppen. Dass die Ukraine bald mehr F-16-Kampfjets einsetzen kann und die einheimische Drohnenproduktion anläuft, könnte der Ukraine helfen, im Luftraum stärker zu werden. ... Bleibt das Problem der Soldaten, das allein durch eine politische Entscheidung gelöst werden kann: durch eine neue Rekrutierungswelle.“
Auch ohne Marine auf See dominant
Die militärische Schlagkraft der Ukraine auf See bewundert The Economist:
„Der Abschuss der Caesar Kunikov ist ein weiters Indiz dafür, dass die Ukraine auch ohne eine konventionelle Marine den Seekrieg gewinnt. Man geht davon aus, dass mindestens ein Drittel der russischen Schwarzmeerflotte ausgeschaltet wurde und die verbleibenden Schiffe gezwungen sind, in größerer Entfernung zur ukrainischen Küste zu operieren. ... Die wichtigste Folge der ukrainischen Seekriegsführung ist aber die Öffnung eines Korridors für die Handelsschifffahrt, durch den das Land sein Getreide exportieren kann.“
Russland hält sich für stärker, als es ist
Den in Russland verbreiteten Mythos der Unbesiegbarkeit relativiert The Moscow Times mit Blick auf die Geschichte:
„Der Russisch-Japanische Krieg zeigte, dass erfolgreiche quasi-westliche Länder Russland in Konflikten, die man als Grenzkonflikte bezeichnen kann, lokale Niederlagen zufügen können. ... Bald darauf folgten die Zerschlagung der sowjetischen Armee in Polen 1920 und die schwere Niederlage der Truppen Josef Stalins im 'Winterkrieg' mit Finnland. Kurzum, die These von der russischen 'Unbesiegbarkeit' bedarf ernsthafter Korrektur: Es war (und bleibt) zwar unmöglich, dem Land eine totale Niederlage zuzufügen, die zu seiner Kapitulation und Besetzung führen würde, aber punktuelle Erfolge seiner Rivalen sind durchaus wahrscheinlich.“
Der Ukraine helfen, den Feind zu besiegen
Waffenlieferungen für die Ukraine sind auch für den Rest Europas der beste Schutz, stellt der Experte für Sicherheitsfragen Rainer Saks in Maaleht klar:
„Die Westmächte haben die Gelegenheit verpasst, den Aggressor zu einem strategischen Rückzug zu zwingen. ... Die Schwierigkeiten und Verzögerungen bei der Lieferung von Waffen waren einer der Gründe, warum der Ukraine 2023 keine neue Offensive gelang. Diese strategische Unbeholfenheit muss überwunden werden. Zurzeit müssen die Nato-Mitgliedstaaten keinen unmittelbar bevorstehenden russischen Angriff fürchten. Russland verfügt dafür nicht über die nötigen Ressourcen. Und eine deutlich kraftvollere Unterstützung der Ukraine würde die militärischen Kapazitäten Russlands noch stärker binden.“