Helikopterabsturz im Iran: Präsident Raisi ist tot
Irans Staatsoberhaupt Ebrahim Raisi und Außenminister Hossein Amir-Abdollahian sind bei einem Hubschrauberunglück ums Leben gekommen. Ihr wohl mehr als 40 Jahre alter Helikopter stürzte bei schlechtem Wetter in einer Bergregion im Norden des Landes ab. Verändert der Tod des Präsidenten das politische System der Islamischen Republik?
Das Regime schwankt
Raisis Unfalltod und freudige Reaktionen im Iran selbst zeigen, dass die Islamische Republik auf tönernen Füßen steht, urteilt der Geopolitik-Experte Lucio Caracciolo in La Repubblica:
„Die Tatsache, dass das offizielle Oberhaupt des persischen Staates bei schlechtem Wetter an Bord eines total veralteten Fluggeräts ging, bekräftigt die bescheidene Relevanz, die Raisi für sein Regime hatte. Zudem erinnern uns die nicht gerade privaten Jubelfeiern in Teheran und anderen iranischen Städten anlässlich des Ablebens von Raisi - der vor allem für die blutigen Repressionen bekannt war, die er in jungen Jahren gegen die Anhänger des Schahs und verschiedene Gegner verübte - daran, dass der Grad der Legitimität des Regimes schwankt.“
Diktaturen hassen Veränderungen
Libération sieht das Regime in einer Krise, aber nicht in Existenzgefahr:
„Ebrahim Raisi galt als Hardliner unter den Hardlinern und wurde als 'Schlächter von Teheran' bezeichnet. Er hatte die Repression gegen Frauen, die sich von ihrem Kopftuch befreien wollten, und gegen die Männer, die sie unterstützten, verschärft. Vor allem aber war er als Nachfolger des Obersten Führers Ali Chamenei vorgesehen. Zwar ist das theokratische Regime im Iran ein dreifach verriegeltes System und der Kollaps eines noch so großen Rädchens wird nicht ausreichen, um das ganze System zum Einsturz zu bringen, doch Diktaturen verabscheuen Veränderungen und gedeihen nur in der Erstarrung. Während die Mullahs sich in Windeseile neu organisieren, schwelt der Unmut der Bevölkerung über das Regime weiter.“
Kein Wandel in Sicht
Nun könnte sich der Iran noch weiter radikalisieren, warnt La Libre Belgique:
„Raisis Tod dürfte nichts an der Richtung ändern, die von der Regierung im Iran eingeschlagen wurde. Im Gegenteil, er könnte die Gelegenheit für eine weitere Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen bieten und die Kontrolle der Pasdaran verstärken. ... Wenn die Trauerfeierlichkeiten und das Staatsbegräbnis vorüber sind, ist zu erwarten, dass die Präsidentschaftswahlen - wie bereits die Parlamentswahlen im März - zu einem klaren Sieg der Hardliner des Regimes führen werden. Und die bereits enorme Kluft zwischen den Iranern und ihrer Führung noch weiter vertiefen.“
Macht muss neu ausbalanciert werden
Das politische System des Irans gerät durch Raisis plötzlichen Tod in Bewegung, was auch die Nachbarstaaten tangieren wird, meint Habertürk:
„Es ist abzusehen, dass der Hubschrauberabsturz eher unter dem Aspekt des Machtgleichgewichts innerhalb des Landes diskutiert wird. ... Während die wirklichen Entscheidungsträger des Irans die Zeit nach Chamenei planen, ist ihre unmittelbare Agenda die Wahl des nächsten Präsidenten. Dabei müssen sie viele Dynamiken berücksichtigen, vom Atomprogramm des Landes bis hin zu regionalen Entwicklungen. Was für ein politisches Profil erwartet uns also? All diese Themen berühren die Türkei und unsere Region unmittelbar.“