Kinderklinik in Kyjiw zerstört: Unfall oder Kalkül?
Das größte Kinderkrankenhaus der Ukraine ist am Montag von einer Rakete zerstört worden. Dabei starben zwei Menschen. Eine noch größere Tragödie wurde durch kurzfristige Evakuierung verhindert. Eine Beobachter-Kommission der Uno hält einen direkten Beschuss durch eine russische Rakete für "sehr wahrscheinlich" und verurteilte "einen der ungeheuerlichsten Angriffe" seit Kriegsbeginn. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow dementierte.
Kein zufälliger Zeitpunkt
Mit dem Krankenhausbeschuss sendet Russland Drohbotschaften in mehrere Richtungen, meint France Inter:
„Was bezweckt Moskau mit dieser Eskalation des Schreckens? Da es kein militärisches Ziel gibt, ist das Ziel also ein psychologisches: Es soll die Moral der Ukrainer brechen, nachdem bereits die Energieinfrastruktur der Großstädte ins Visier genommen wurde. Auch der Zeitpunkt war sorgfältig gewählt: 48 Stunden vor dem Nato-Gipfel in Washington. ... Dort dürften die Teilnehmer Wolodymyr Selenskyj zusätzliche militärische Unterstützung versprechen, allerdings nicht die Mitgliedschaft, die er sich wünscht. Wladimir Putin fühlt sich stark genug, um diese abschreckende Botschaft in Form von Raketen zu senden.“
Die Art der Kriegsführung ist das Verbrechen
Absicht muss nicht unbedingt unterstellt werden, und doch ist Moskaus Vorgehen zu verurteilen, kritisiert der Tages-Anzeiger:
„Das Kinderspital liegt neben dem ukrainischen Infrastrukturministerium, das den Transport der Waffen organisiert. Im Norden Kiews trafen russische Raketen Wohnhäuser, vor allem aber trafen sie die Artem-Munitionsfabrik in der Nachbarschaft. In Frontnähe sind militärische und zivile Infrastruktur noch dichter nebeneinander. ... Insofern ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass Russland ein anderes Ziel verfolgt hat als die Zerstörung des Kinderspitals. ... Selbst wenn die russische Führung die Bombardierung des Ochmatdyt nicht geplant hat, so nimmt sie diese durch ihre Art der Kriegsführung in Kauf.“
Schon die Tageszeit des Beschusses ist entlarvend
Die Publizistin Julia Latynina betont in einem von Echo übernommenen Telegram-Post, dass der Raketenangriff gegen die Genfer Konvention verstieß, selbst wenn das Spital nicht getroffen werden sollte:
„Es gibt eine international anerkannte Methode, um das Risiko für die Zivilbevölkerung bei solchen Raketenangriffen zu verringern: nachts schießen. Putin hat tagsüber geschossen. Unabhängig davon, ob man das Krankenhaus mit Absicht getroffen hat oder nicht, kann man den Angriff am Tage nicht als Zufall abtun. ... Er verstößt gegen das in der Genfer Konvention verankerte Vorsorgeprinzip bei Angriffen. Dieses Prinzip verlangt, dass alle möglichen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden, um Schaden von der Zivilbevölkerung abzuwenden oder zu minimieren.“