Trump-Attentat: Was befeuert politische Gewalt?

Die Hintergründe des Attentats auf Donald Trump sind weiter unklar, im Netz kursieren aber allerlei Verschwörungserzählungen: Demnach habe Trump den Anschlag etwa selbst inszeniert, um daraus politischen Profit zu schlagen. Oder aber die Demokraten sollen dahinterstecken, aus Angst vor dem Verlust des Weißen Hauses. In den Kommentarspalten europäischer Medien wird hingegen über die gesellschaftlichen und kulturellen Ursachen von Gewalt in der Politik diskutiert.

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De Volkskrant (NL) /

Apokalyptische Rhetorik schürt Angst

Gesellschaftliche Spaltung macht De Volkskrant als Keim der Gewalt aus:

„Es ist ein Klima entstanden, in dem politische Gegner nicht als Rivalen gesehen werden, sondern als Feinde, die das Land in den Untergang führen. In einer so aufgeheizten Lage sehen Extremisten Gewalt als einziges Mittel, um Katastrophen zu verhindern. ... Warnen vor Trump ist allerdings nicht gleich Anstacheln zum Mord. Polarisierung ist unvermeidlich, wenn der Wahlsieg eines Präsidenten droht, der bewiesen hat, eine Gefahr für die liberale Demokratie zu sein. ... Anhänger und Gegner von Radikal-Rechts sind in einen Kampf um die Seele des Landes verstrickt. Unvereinbare Weltbilder prallen aufeinander, und darin liegt der Keim der politischen Gewalt, nicht nur in Amerika, sondern in allen westlichen Demokratien.“

Avvenire (IT) /

Wie auf der Leinwand

Gewalt hat in der Kultur der USA einen hohen Stellenwert, klagt Avvenire:

„Es ist nicht falsch zu fragen, ob die Gewalt in den 'Adern Amerikas' liegt, wie es viele seiner Schriftsteller - und seiner Filmemacher - dargestellt haben, indem sie eine imaginäre Welt geschaffen haben, in der die Schießerei bei der Kundgebung eines Kandidaten für das Weiße Haus zwar schockiert, nicht aber überrascht. Der kürzlich erschienene und viel diskutierte Film Civil War, in dem es um einen modernen Machtkampf zwischen Präsidenten-treuen und zur Sezession entschlossenen Staaten geht, schöpfte eine kaum übersehbare Inspiration aus der Auseinandersetzung zwischen den beiden Seelen der USA, die am Samstagnachmittag einen weiteren Schritt in Richtung einer unversöhnlichen politischen Spaltung machten.“

Interia (PL) /

Mitte muss sich mutig behaupten

Extremisten von links und rechts setzen die Demokratie unter Druck, warnt Interia:

„Wenn man sich fragt, warum die liberale Mitte oder die liberale Demokratie im Allgemeinen heute in einer Krise steckt, warum der Westen unter dem Ansturm der populistischen Extreme schwankt, warum die extreme Linke und die extreme Rechte Wähler mit Zukunftsängsten für sich vereinnahmen, dann liegt das daran, dass die Mainstream-Eliten ihre Rolle nicht mehr verstehen, dass sie die Dinge aussitzen wollen, verängstigt sind und vor allem erpressbar: Die Rechte erpresst sie mit Populismus und moralischer Strenge, die Linke mit politischer Korrektheit und neuem Puritanismus. Und beide gewinnen durch Dreistigkeit.“

France Inter (FR) /

Europa ist nicht gefeit

Kolumnist Gallagher Fenwick gibt in France Inter zu bedenken:

„Die einstimmige [internationale] Verurteilung [des Attentats] ist aufrichtig, vor allem weil einige der führenden Politiker wissen, dass das Gespenst der politischen Gewalt nicht nur über den USA schwebt. Es beunruhigt auch ihr eigenes Land. Sogar auf unserem Kontinent in Europa wurde auf den Tag genau vor zwei Monaten ein Mordanschlag auf den slowakischen Premier Robert Fico verübt. ... Die enorme Anzahl an Waffen, die in den USA im Umlauf sind, erhöht dort die Gefahr, aber der Rest der Welt darf sich nicht einreden, dass so etwas niemals bei ihnen passieren könnte.“

Jurnalul National (RO) /

Hört auf Martin Luther King!

Jurnalul National erinnert an die Worte von Martin Luther King:

„Angesichts des Attentats ist es unerlässlich, dass sich alle auf die grundlegenden Werte besinnen, die die Demokratie definieren. Es ist auch unerlässlich, dass Trumps Unterstützer und seine Gegner verstehen, dass Gewalt und Aufwiegelung keinen Platz in einer zivilisierten Welt haben. In einer Zeit der Unsicherheit ist es essentiell, dass wir uns an die Worte von Martin Luther King Jr. erinnern: 'Die Dunkelheit kann die Dunkelheit nicht vertreiben; das kann nur das Licht. Hass kann den Hass nicht vertreiben, das kann nur die Liebe.'“