US-Wahl: Biden gibt auf, kommt jetzt Harris?

US-Präsident Joe Biden hat seine Kandidatur zur Präsidentschaftswahl im November zurückgezogen. "Auch wenn es meine Absicht war, die Wiederwahl anzustreben, glaube ich, dass es im besten Interesse meiner Partei und meines Landes ist, beiseite zu treten", erklärte der 81-Jährige. In den vergangenen Wochen waren die Zweifel an seiner Eignung auch in den eigenen Reihen immer lauter geworden. Europas Presse interessiert vor allem Bidens Nachfolge.

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The Guardian (GB) /

Ein Schritt, der Größe beweist

Joe Biden erweist seinem Land einen großen Dienst, findet The Guardian:

„Biden hat dem Land eine reelle Chance gegeben, Trump zu besiegen und somit das Schlimmste abzuwenden, was die extreme Rechte für Amerika geplant hat. ... Er hat sich dafür entschieden, die Aussicht auf einen Sieg der Demokraten im November zu bewahren, auch wenn es zu Lasten seines Egos geht und mit einer höchstwahrscheinlich tiefen persönlichen Demütigung verbunden ist. Viele Politiker – allen voran Trump selbst – haben deutlich gemacht, dass es für sie nichts Wichtigeres gibt als ihre Selbstverherrlichung. Biden hat gezeigt, dass es etwas gibt, das er mehr schätzt als sich selbst. Was auch immer man von dem Menschen Biden halten mag, es ist eine ehrenvolle Geste.“

La Repubblica (IT) /

Es gibt auch Zweifel an der Vize

Mit der Unterstützung Bidens für Harris ist noch nicht alles in trockenen Tüchern, erklärt La Repubblica:

„Denn es ist seine persönliche Entscheidung, die viele der demokratischen Führer und Mandatsträger nicht teilen. Und hier beginnt nun die schwierigste Herausforderung für die Partei, die am 19. August in Chicago den risikoreichsten Parteitag seit dem abhält, der auf den Rückzug von Lyndon Johnson 1968 folgte. Die 4.600 Delegierten werden darüber entscheiden, wer die Nominierung erhält. Zweifel an Harris kommen von Nancy Pelosi, der ehemaligen Sprecherin des Repräsentantenhauses, und Chuck Schumer, dem Vorsitzenden der Demokraten im Senat, weil Umfragen der letzten Wochen zeigen, dass Kamala noch weniger Chancen als Biden hat, Trump zu schlagen.“

Expressen (SE) /

Jetzt wird es spannend

Kamala Harris' Chancen stehen nicht schlecht, befindet Expressen:

„Harris mag kein politischer Fixstern sein, gleichwohl ist sie eine bessere Wahl als ein gebrechlicher Biden: Sie ist mit ihren [fast] 60 Jahren vergleichsweise jung, aber dennoch erfahren. Eine Präsidentschaftswahl zwischen Kamala Harris und Donald Trump wird eine Wahl zwischen einer toughen Staatsanwältin und einem verurteilten Verbrecher. Als Staatsanwältin in Kalifornien hat sich Harris für harte Strafen für Schusswaffengewalt eingesetzt. Sie hat sich zudem lange in der Abtreibungsfrage engagiert, was wichtig werden kann, um Wähler aus der Mitte zu mobilisieren. ... Die Wahl im November ist jetzt spannender und nicht mehr ganz so beängstigend geworden. Es ist zu früh, um die Demokraten abzuschreiben.“

wPolityce.pl (PL) /

Sie ist nicht der höchste Trumpf

Für wPolityce hat Trump auch gegen Harris beste Chancen auf einen Wahlsieg:

„Biden hat sich von seinem Kampf um die Wiederwahl zurückgezogen und Kamala Harris soll (noch inoffiziell) an seine Stelle treten. Das mächtige liberale Lager, das die Konservativen entmenschlicht und ihre Kandidaten als Populisten bezeichnet hat, kompromittiert sich auf wunderschöne Weise. Biden ist gebrechlich, doch seine Vizepräsidentin ist, um es milde auszudrücken, nicht der spitzeste Stift in der Federtasche. Trump, der eigentlich k.o. gesetzt und auf die Insel St. Helena verbannt werden sollte, kehrt mit Schwung zurück.“

Der Standard (AT) /

Biden sollte sich ganz zurückziehen

Ein Rücktritt des Präsidenten würde Harris' Chancen nochmals erhöhen, meint Der Standard:

„Als Bidens Vizepräsidentin geht sie mit einer Bürde in den Kampf gegen Trump. Sie muss die Arbeit der Regierung verteidigen, aber hat nicht die Vorteile eines Staatschefs. Und sie muss die Frage beantworten, ob Biden überhaupt noch amtsfähig ist, wenn er nicht mehr kandidieren kann. Besser wäre es, wenn Biden auch als Präsident bald zurücktritt und Harris ins Oval Office lässt. Es ist klar, dass ihm das persönlich schwerfällt. Aber wenn die Rechnung aufgeht und Harris Trump besiegt, würde dieser Schritt ihn rückblickend als noch besseren Präsidenten erscheinen lassen.“