Paris 2024: Debatte um Olympische Eröffnungsfeier

Am Freitag wurden die Olympischen Sommerspiele in Paris eröffnet. Statt wie üblich im Stadion einzulaufen, kamen die Athletinnen und Athleten in Booten die Seine heruntergefahren. Dabei wurden sie von verschiedenen Showeinlagen am Ufer und auf den Brücken begrüßt, um schließlich am Trocadéro gegenüber dem Eiffelturm an Land zu gehen. Kommentatoren bewerten das Ereignis höchst unterschiedlich.

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Naftemporiki (GR) /

Gewollt und nicht gekonnt

Naftemporiki schreibt unzufrieden:

„Wenn es etwas gab, das der Eröffnungsfeier in der Stadt des Lichts eindeutig fehlte, dann war es eine klare Identität. Unterschiedliche Elemente, die ungeordnet zu einem Spektakel eingeworfen wurden, das, ungeachtet der Absichten, oft unästhetisch war. Diese Stadt mit ihrer großen Geschichte und Kultur hätte die perfekte Kulisse für eine moderne Party sein können. Letztendlich ging sie hinter dem Übermaß an Strass, Pailletten und kitschigen Figuren unter. Die LGBTQ-Gemeinschaft war zu Recht vertreten, wurde aber falsch dargestellt, als Karikatur. Das 'respektlose' letzte Abendmahl widersprach eher der Botschaft von Inklusion, Akzeptanz und friedlicher Koexistenz für alle.“

Portal Plus (SI) /

Sowas treibt Menschen nach rechts

Portal Plus war die Veranstaltung eindeutig zu "woke":

„Es sollte jedem klar sein, dass die Olympiade nicht der Eurovision Song Contest ist, von dem wir wissen, dass er eine Manifestation der europäischen sexuellen Befreiung und des Exhibitionismus ist. ... Im politischen Sinne ist das Ganze noch schlimmer, denn der Missbrauch der Olympischen Spiele ist Wasser auf die Mühlen der Autokraten à la Putin, Erdoğan und Konsorten, die seit Jahren die These von einem dekadenten, kranken, degenerierten Europa wiederholen. ... Langsam werden ihnen immer mehr Europäer Recht geben, die das Aufzwingen der politischen Korrektheit gegenüber anderen satthaben, und auch noch stoisch ertragen sollen, wie die einheimischen Apologeten der Woke-Ideologie ihnen auf dem Kopf herumtanzen.“

Telegraf (UA) /

Im Stil Frankreichs

Für den islamischen Geistlichen Sajid Ismahilow waren die viel kritisierten Punkte der Show nicht überraschend, er schreibt in Telegraf:

„Wir dürfen nicht vergessen, dass Frankreich die Geburtsstätte des Säkularismus und des Kampfes gegen den Glauben und die Kirche ist. Es würde mich wundern, wenn die Autoren der Show den französischen militanten Säkularismus ignorieren würden. ... Für einen vorbereiteten Menschen ist also nichts Skandalöses passiert, alles war wie immer in Paris. Würden die Spiele in einem konservativen religiösen Land stattfinden (z. B. in Saudi-Arabien), würde man eine ganz andere Show sehen und diese Show würde den Anhängern der säkularen Ansichten nicht gefallen.“

T24 (TR) /

Ein Spiegel der Zustände in der Welt

Die Welt kann ihre globalen Konflikte nicht hinter diesen Feierlichkeiten verstecken, kommentiert T24:

„Trotz der lebendigen Choreographie, die viele Bereiche der zeitgenössischen Kunst umfasste, und des reibungslosen Ablaufs der Zeremonie ist die Eröffnungsfeier auch ein Spiegel der Unruhe und Ungleichheit in der Welt gewesen. Bei jeder Olympiade gibt es immer ein Problem. In Paris ist es diesmal die Vertreibung von [obdachlosen] Migranten, der Ausschluss von Ländern, das Unbehagen einiger Teilnehmerländer. ... Das bewährte Motto der Olympischen Spiele 'citius, altius, fortius' (schneller, höher, weiter) regt von nun an noch viel mehr zum Nachdenken an.“

The New Times (RU) /

Dabeisein ist alles - leider nicht für Russen

The New Times bedauert Russlands Ausschluss aus der olympischen Familie:

„Die Olympischen Spiele in Paris separieren Putins Russland ganz offensichtlich nicht nur von Europa, nicht nur vom Westen, sondern von der ganzen Welt. Über die Seine fuhren Schiffe mit Teams aus dem Iran, der Türkei, China, Aserbaidschan und anderen Ländern, die hinsichtlich der Merkmale ihrer Regimes nicht harmlos sind, einschließlich Nordkorea. ... Die Sowjetunion war nicht aus der olympischen Bewegung herausgefallen, aber Putins Russland ist es. Putins Staat hat die zivilisierte Welt verlassen - aber die Russen sind geblieben, obwohl es für viele Politiker und Beamte in eben jenem Westen leichter ist, jeden russischen Bürger als Putinisten abzutun.“

Libération (FR) /

Ein buntes Dankeschön an die Pariser

Eine Hommage an die Resilienz der Gastgeber nach den Terroranschlägen im Jahre 2015 sieht Libération:

„Nach dem Trauma wäre es leicht gewesen, sich einzuigeln, den traurigen Gefühlen hinzugeben, von Hass getriebene Wahlentscheidungen zu treffen und sich auf die einfache Suche nach Sündenböcken zu begeben. Während Frankreich wankt und der RN noch nie so nah an der Macht war, zeigen die Pariser - die für immer verletzt wurden - absolute Würde. Auf Angst und Rassismus antworten sie mit Offenheit und Vertrauen. Sie verkörpern seit neun Jahren eine Feier des Lebens und der Re­si­li­enz. Sie haben die Freiheit zu ihrem Aushängeschild gemacht. ... Diese Zeremonie war eine wunderbare Hommage an die Pariser. ... Als Pariser haben wir sie so verstanden und erlebt.“

Tages-Anzeiger (CH) /

Eine Szene wie ein politisches Manifest

Der Tages-Anzeiger lobt den Mut der Franzosen zum Außergewöhnlichen:

„Für die Franzosen selbst gab es in dieser Zeremonie eine Szene, die alle überstrahlte, eine Szene wie ein politisches Manifest, fein gezeichnet von den Regisseuren. Sie spielte auf dem Pont des Arts, der Holzbrücke zwischen dem Louvre und der Académie française, zwei hohen Institutionen französischer Kultur. Es begegneten sich auf halbem Weg die Garde Républicaine, die sonst den Präsidenten der Republik begleitet, und Aya Nakamura, eine Rapperin aus der Banlieue, 29 Jahre alt, Französin mit malischen Wurzeln, die meistgehörte frankofone Sängerin der Welt, wie es in Frankreich heisst. ... Es gerann darin gerade die Grösse der Republik. Die Szene trug den Titel 'Égalité', Gleichheit.“

TVXS (GR) /

Obdachlose wurden weggeschafft

Die Eröffnungsfeier zeigt einmal mehr, wie man die Realität verfälscht präsentiert, schreibt das Webportal TVXS:

„Sie fand nicht in einem Stadion statt, sondern die Athleten kamen mit einem Boot auf der Seine an, vorbei an historischen Stätten wie dem Louvre und Notre Dame, unter den berühmten Brücken von Paris hindurch. Diejenigen, die in der Live-Übertragung nicht zu sehen sind, sind die 'entbehrlichen' Menschen, die bisher unter diesen Brücken lebten. ... Menschenrechts- und Obdachlosenverteidiger in Paris sagen, dass die Polizei Tausende Obdachlose in der ganzen Stadt eingesammelt, ihre Lager geräumt und in andere Teile des Landes gebracht hat - und sie damit von den Kameras abgeschirmt und den humanitären Hilfsnetzen, auf die sie angewiesen sind, abgeschnitten hat.“

La Stampa (IT) /

Das Abendland schändet eigene Wurzeln

Der katholische Theologe Vito Mancuso zeigt sich in La Stampa zutiefst empört darüber, dass bei einer der Showeinlagen Dragqueens das letzte Abendmahl von Leonardo Da Vinci nachstellten:

„Die Schändung der christlichen und abendländischen Tradition durch die Eröffnung in Paris sagt etwas über uns aus. Sie steht für die Armseligkeit unserer Zeit, sie zeigt das kulturelle und geistige Elend, das sie kennzeichnet, sie ist das Emblem der immer größer werdenden Feindseligkeit gegenüber unserer Geschichte. Eine Pflanze ohne Wurzeln verdorrt, eine Zivilisation ohne Wurzeln ebenso. ... Die trägen Bewegungen der Körper der sogenannten Dragqueens waren das Sinnbild für die Pein, in der sich die westliche Seele windet, die sich selbst und ihrer eigenen Tradition gegenüber feindlich gesinnt ist.“

NRC (NL) /

Bibel ist nur ein Vorwand

Die Empörung über die moderne Version der berühmten Szene vom letzten Abendmahl ist nur vorgeschoben, meint NRC-Kolumnist Frank Huiskamp:

„Wenn es eine bewusste Anspielung auf das Gemälde war, das über die Jahre so oft parodiert wurde, dann sollte es eher Klischee sein als Kontroverse. … Aber es geht auch nicht um die Anspielung. Es geht um die Menschen, die darauf anspielten. Schwule, Lesben, trans-Menschen. Das war Wasser auf die Mühlen aller Kreuzritter gegen 'woke', für alle Menschen, die schon beim Anblick eines Regenbogen-Zebrastreifens der Schlag trifft. Die Bibel ist nur das Schild, hinter dem sie sich verstecken, wenn es ihnen passt.“