Nobelpreis für Wohlstandsforscher
Für ihre Arbeiten über das Wohlstandsgefälle zwischen den Nationen erhalten Daron Acemoğlu, Simon Johnson und James A. Robinson den Wirtschaftsnobelpreis. Zentraler Punkt ihrer Forschungen ist der Zusammenhang zwischen der Funktionsweise staatlicher Institutionen und dem Wohlstand der Gesellschaften. So denkt Europas Presse darüber.
Die Türkei hat seinen Rat nicht gehört
Kolumnist Taha Akyol bedauert in Karar, dass die türkische Führung beizeiten nicht auf Nobelpreisträger Daron Acemoğlu gehört hat:
„Acemoğlu hat in all seinen Statements stets das Wachstum der Türkei zwischen 2001 und 2008 gelobt, weil es auf Produktivitätswachstum beruhte. Die Phase danach hat er kritisiert und sich sogar besorgt gezeigt. Denn weil die Produktivität nicht gestiegen ist, wurde das Wachstum durch Konsum und Kapitalerträge angeheizt. Er hat immer wieder den politischen Druck auf die Zentralbank und die Vetternwirtschaft in der Bürokratie kritisiert. ... Ich wünschte, die Regierung hätte 2012-2013 auf Acemoğlu und andere echte Ökonomen gehört. Dann hätten wir bis heute 25.000 Dollar Pro-Kopf-Einkommen [rd. 23.000 Euro] erreichen können. Schade um die verlorenen Jahre.“
Inklusive Institutionen – nicht in Russland
Der im Exil lebende Politiker Maxim Katz hat für Echo nachgelesen, wie die Preisträger in ihren neueren Publikationen die Institutionen Russlands einschätzen:
„Nach Ansicht der Forscher war Russland in keiner Phase seiner Entwicklung ein Land mit inklusiven Institutionen. Weder als russisches Kaiserreich mit seiner Leibeigenschaft und Autokratie noch während der Sowjetzeit, als Zwangsarbeit und entrechtete Bauern, die die Kolchosen nicht verlassen konnten, die Norm waren, noch in Putins heutiger Russischer Föderation, wo sich die Führung auf das Abschöpfen der Ölgewinne konzentriert und den Bürgern die politischen Rechte genommen hat. Die Autoren sehen Russland – wie übrigens auch China – als Länder, deren Wirtschaftswachstum durch ihre eigenen Institutionen begrenzt wird.“
Andere haben noch weiter gedacht
Es gibt Wissenschaftler, die den Preis mehr verdient hätten, findet die taz:
„Daron Acemoğlu, Simon Johnson und James Robinson haben sich mit der Frage befasst, warum viele Länder arm bleiben, obwohl sie sich entwickeln könnten. Die Antwort: Diese Staaten werden von einer kleinen Elite ausgeplündert, wie das etwa in Lateinamerika zu beobachten ist. Aber auch dieser 'institutionelle' Ansatz hat Schwächen: ... Die Rolle von hohen Löhnen, Gewerkschaften oder einer gerechten Steuerpolitik kommt nicht vertieft vor. Diese Lücke wurde von anderen Ökonomen geschlossen – vor allem von den beiden Franzosen Emmanuel Saez und Gabriel Zucman. Dieses Modell hätte den Nobelpreis für Ökonomie tatsächlich verdient.“
Anhänger von Autokratien sollten hinhören
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hebt hervor:
„Eine empirisch getestete Kernthese der Ökonomen lautet, dass Demokratien auf lange Sicht Autokratien wirtschaftlich überlegen sind, weil ein Rechtsstaat einen überlegenen Rahmen für Unternehmer und Verbraucher schafft im Vergleich zu einer jeweiligen Launen der Machthaber ausgelieferten Autokratie. Diese Erkenntnis kann gerade in dieser Zeit für viele Menschen nützlich sein, die mit der Demokratie hadern und sich wünschen, von starken Männern (oder Frauen) den Weg in die Zukunft gewiesen zu bekommen. Der wirtschaftliche Aufstieg der Volksrepublik China widerspricht nicht der Kernthese der Preisträger. Autokratische Regime können Industrialisierung nachholen und kopieren, aber bis heute finden Innovationen eher in Demokratien als in Autokratien statt.“
Wird China stagnieren?
Expressen interessiert die Prognose für China:
„Die Preisträger unterscheiden zwischen inklusiven und extraktiven Institutionen in früheren Kolonien. Dort, wo die inklusiven Institutionen dominieren, fördert man Kreativität und Freude an der Arbeit. Wo die extraktiven vorherrschen, haben stattdessen einheimische Eliten die Rolle der Kolonialherren übernommen und hegen kein sonderliches Interesse an Veränderungen. Acemoğlu und Robinson haben ihre Schlussfolgerungen im 2012 erschienenen Bestseller Why Nations Fail dargelegt. Dort sagen sie kühn Chinas kommende Stagnation voraus – mangelnde Teilhabe werde nach und nach den Erfindergeist ersticken. Möglicherweise ist Xi Jinping gerade dabei, ihnen recht zu geben.“