Prozessauftakt zu Portugals größtem Bankenskandal

Nach zehnjährigen Ermittlungen der Justiz hat in Lissabon der Prozess um den größten Bankenskandal der portugiesischen Geschichte begonnen. Die Privatbank Banco Espírito Santos (BES) ging 2014 pleite und wurde mit über 8 Milliarden Euro gerettet. Hauptangeklagter ist der ehemalige BES-Chef Ricardo Salgado, dem vorgeworfen wird, an der Spitze eines Systems aus Korruption und Geldwäsche gestanden zu haben.

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Visão (PT) /

Zu späte Gerechtigkeit wird niemandem gerecht

Wegen seiner Komplexität und Dauer ist dieses Strafverfahren kein Ruhmesblatt für die Effizienz der Justiz, schreibt Visão:

„Niemand weiß mit Sicherheit, ob es noch jemanden im Justizsystem gibt, der den Prozess von Anfang bis Ende dieser zehn Jahre verfolgt hat. Und es ist offensichtlich, dass viele von ihnen die kommenden Jahre oder Jahrzehnte nicht überleben werden. Aus der Zeit gefallene Gerechtigkeit wird letztlich niemandem gerecht. Der Fall der BES hat Menschen, Familien und Unternehmen zerstört, von denen viele das Urteil nicht mehr erleben werden, und hätte beinahe das nationale Finanzsystem zum Einsturz gebracht.“

Correio da Manhã (PT) /

Abrechnung mit einer verfilzten Epoche

Für Correio da Manhã ist die juristische Aufarbeitung des Banken-Skandals auch ein Stück Vergangenheitsbewältigung:

„Sie zeigte ein 'System' der Macht und der Geschäfte, das auf der Verteilung von Geld, Arbeitsplätzen, Vitamin B und verschiedenen Gefälligkeiten beruht und ein Netz der Komplizenschaft schafft, das sich durch die Parteien und zentralen Institutionen der Macht zieht. Und seine Wurzeln reichen weit zurück bis in die 1980er und 1990er Jahre, als die stabilsten Verbindungen zwischen Parteien und Geschäftsleuten entstanden. ... In einem Land, in dem es keine Eliten gibt, die diese Art von Praktiken aus gesellschaftlichen Gründen ablehnen würden, ist es gut, dass dieses 'System' auf der Anklagebank sitzt. Selbst wenn es sehr spät und nur für die Geschichtsbücher geschieht.“

Expresso (PT) /

Der Hauptangeklagte ist nicht wirklich da

In den zehn Jahren, die der Prozess dauert, ist Salgado an Demenz erkrankt. Dass er nun vor Gericht auftreten muss, hält Expresso deshalb für menschenunwürdig:

„Die Demütigung, der Ricardo Salgado ausgesetzt war, ist das Gegenteil von jeglicher Vorstellung von Gerechtigkeit. … Er war sich seiner Taten bewusst, als er sie begangen hat; aber jetzt weiß er nicht, was er tut. Ricardo Salgado steht nicht wirklich vor Gericht, denn dazu müsste er sich des Prozesses und seiner Verbrechen bewusst sein. Ricardo Salgado ist aufgrund seiner fortgeschrittenen Demenz abwesend – und das war nicht etwa seine freie Entscheidung. Ohne seine Präsenz erleben wir ein Schauspiel, das der Gerechtigkeit in einem zivilisierten Land nicht würdig ist.“