Hängepartie um designierte EU-Kommissare
Bei den Anhörungen im Europäischen Parlament ist Streit um drei designierte Kommissare entbrannt. Raffaele Fitto ist wegen seiner Zugehörigkeit zu den rechtspopulistischen Fratelli d’Italia umstritten, Olivér Várhelyi soll Antworten nachreichen und Teresa Ribera wird von der konservativen PP für die katastrophalen Folgen der Flut in Spanien mitverantwortlich gemacht. Kommentatoren fragen sich, wie das ausgehen könnte.
Flucht vor der Realität
La Vanguardia findet die Strategie der Konservativen, die designierte Kommissarin Ribera zu boykottieren, erbärmlich:
„Die PP weiß nicht, wie sie den Präsidenten der Region Valencia, Carlos Mazón, für seine Untätigkeit bei den tragischen Überschwemmungen aus dem Rampenlicht nehmen soll. Deshalb hat sie beschlossen, die Verantwortung an die Vizeministerpräsidentin der Regierung, Teresa Ribera, abzuschieben. Man versucht, ihr die Verantwortung anderer zuzuschieben. ... Es wäre besser, die nackte Realität darzustellen. Es hat Fehler gegeben. Wir haben versagt. Es gibt keinen Grund, mit Ausreden herumzuspielen. ... Die Verantwortung könnte nicht klarer sein, aber die PP schießt jetzt über das Ziel hinaus, und will sich sogar vor dem Europäischen Parlament aus der Verantwortung stehlen.“
Nun wird es gar für Ursula knapp
Der Streit könnte für von der Leyen existenziell werden, glaubt La Repubblica:
„Dies ist ein Tauziehen, das die Existenz der neuen EU-Exekutive gefährdet. Aus zwei Gründen. Erstens: Sollten Ribera und Várhelyi tatsächlich abgelehnt werden, würde der Start des von-der-Leyen-Teams auf unbestimmte Zeit verschoben. Die beiden Ministerpräsidenten Orbán und Sánchez würden aus gegensätzlichen Gründen Zeit schinden, um die Chefin der Kommission abzustrafen. Zweitens würden ohne [sozialdemokratische] S&D und Grüne fast zweihundert Stimmen fehlen, wenn das gesamte Kollegium zur endgültigen Vertrauensabstimmung in den Saal kommt. Es ist schwierig, die fehlenden Stimmen aus den Fraktionen der EKR, Patrioten und AfD [Europa der souveränen Nationen] zu kompensieren.“
Kallas' Leidenschaft gilt der Ukraine-Frage
Journalist Raimo Poom analysiert in Eesti Päevaleht den Auftritt der designierten Außenbeauftragten Kaja Kallas:
„Kallas war zweifellos am überzeugendsten, wenn es darum ging, sich der russischen Aggression zu widersetzen und die Ukraine in der EU-Außenpolitik zu unterstützen. ... Angesichts des Vakuums an Wissen darüber, was Trump und seine Regierung vorhaben, wählte Kallas einen klugen Ansatz für diese Fragen. Sie nahm kein Blatt vor den Mund und versprach zugleich, weiterhin mit Europas wichtigstem Verbündeten zusammenzuarbeiten. ... Als die Fragen über diese Themen hinausgingen, fiel auf, dass Kallas' Leidenschaft und die Substanz ihrer Antworten abnahmen.“
Das müsste es auch auf nationaler Ebene geben
Aftonbladet ist begeistert vom Anhörungssystem:
„Die langen Anhörungen sind ein großartiges demokratisches Instrument. Sofern Sie zum Zeitpunkt der EU-Wahlen volljährig waren, hatten Sie die Chance, die Abgeordneten zu wählen, die nun gegen die EU-Kommissare stimmen können. Schwedens Parlamentsabgeordnete haben keine Gelegenheit, Ministerkandidaten zu ihren Plänen während ihrer Amtszeit zu befragen. Sie können ihnen keine politischen Versprechen abpressen und 'Nein danke, der Nächste bitte' sagen, wenn sie diese nicht halten. Die Anhörungen sind keine unbedeutende Formalität.“
Starke Frau für die wichtige Erweiterungsfrage
Delo kommentiert die Bestätigung der kurzfristig nominierten slowenischen Kandidatin:
„Marta Kos überstand die Anhörung im Europäischen Parlament ohne größere Probleme. ... Die Kandidatin, die zum Zeitpunkt ihrer Nominierung von vielen als eine der schwächsten bezeichnet wurde, erfüllte ihre Aufgabe hervorragend und erhielt breite Unterstützung. Es wird eine schwierige Aufgabe sein, diese Union voller interner Widersprüche und komplexer Entscheidungsprozesse auf die zusätzliche Erweiterung vorzubereiten. Ursula von der Leyen ist sich dessen bewusst, dass die Erweiterungspolitik die Bürger davon überzeugen sollte. In den alten Mitgliedstaaten herrscht kaum ein Bewusstsein dafür, dass sie seit 2004 stark vom Beitritt neuer Länder profitiert haben.“
Nicht an jedem lässt sich ein Exempel statuieren
Warum der als Kommissar für internationale Zusammenarbeit nominierte Tscheche Jozef Síkela seine Anhörung problemlos überstanden hat, kommentiert Lidové noviny:
„Síkela hatte es nicht sonderlich schwer. Er ist kein besonders attraktives Ziel für diejenigen, die versuchen, einen Kommissar abzulehnen. Erstens kommt er aus einem nicht sehr wichtigen Land, das sich auch nicht in einem größeren Streit mit Europa oder einzelnen Mitgliedstaaten befindet. Und zweitens ist sein Portfolio, die internationale Zusammenarbeit, wichtig, aber der Öffentlichkeit schwer zu erklären. Darüber hinaus mit sehr geringem Einfluss auf die inneren Angelegenheiten der Union. Einen Kandidaten für einen solchen Posten zu versenken, würde niemandem Ruhm bringen.“