Russland: Warum rollt der Rubel nicht mehr?
Die russische Landeswährung ist immer heftigeren Turbulenzen ausgesetzt: Seit Anfang August hat der Rubel beinah ein Viertel seines Wertes verloren, am gestrigen Mittwoch standen einem US-Dollar vorübergehend 115 Rubel an Wert gegenüber. Zwar erholte sich der Kurs dann etwas, aber der Abwärtstrend bleibt bestehen. Die Presse nimmt mögliche Ursachen unter die Lupe.
Im System Putin knirscht es
Corriere della Sera beobachtet:
„Es hat den Anschein, dass alle verkaufen und nur wenige die Währung von Wladimir Putin in den Händen halten wollen. Gerüchte aus dem Moskauer Finanzsystem besagen eine weit verbreitete Jagd nach ausländischer Währung, der einzigen, die für den Import von Waren aus dem Rest der Welt nützlich ist. Es scheint davon wenig zu geben, während viele versuchen, ihre Rubel loszuwerden. ... Aber das ist nur ein Symptom, nicht die Ursache. ... Die Wirtschaft verlangsamt sich eindeutig und irgendwo knirscht etwas in Putins Herrschaft. Die Ankündigung, dass die Sanktionen völlig nutzlos sind, war vielleicht etwas verfrüht.“
Die Armut greift um sich
Der Exil-Politiker Maxim Katz malt bei Echo ein finsteres Bild der Zukunft Russlands:
„Die Wirtschaft und das gesamte innere Leben des Landes werden offiziell der Entscheidung geopfert, bis zum Ende zu kämpfen. Deshalb wird die Krise folgendermaßen aussehen: Die Menschen im Land werden allmählich immer ärmer, die Inflation frisst die angestiegenen Löhne auf; am meisten leiden die, die sich am Krieg nicht bereichert haben, denn sie haben nichts zu essen. Der Staat wird dabei die Militärausgaben nicht senken, sondern nur noch weiter steigern. Noch interessanter ist der Trend, der anhalten wird, solange diese politische Ordnung existiert: Die aktive Umverteilung des Eigentums und der Macht wird garantiert weitergehen.“
Rückfall in die Neunziger
Der Politologe Abbas Galliamow vergleicht in einem Facebook-Beitrag die heutige Lage mit den chaotischen 1990er Jahren:
„Der drastische Absturz des Rubelkurses und der Höhenflug des Dollars zwingen die Russen, sich an die neunziger Jahre zu erinnern. Dies setzt einen bedeutenden Teil von Putins Verdiensten auf Null. ... Es ist schon der dritte Schock dieser Kategorie. Der erste ist der Krieg, der zweite die Verbrechensrate seiner 'Helden'. Die anhaltende 'Sonderoperation' erinnert an die zähe und wie Zahnschmerzen unangenehme tschetschenische Kampagne und die Vergewaltigungen und Morde, begangen von den von der Front zurückgekehrten harten Hunden – an die überbordende Kriminalität in eben jenen 'verwegenen' Neunzigern.“