Frankreich: Linke und Rechte bringen Regierung zu Fall

In Frankreich ist die Regierung gestürzt worden. Der rechtspopulistische Rassemblement National (RN) stimmte für einen Misstrauensantrag der linken Oppositionsparteien und sorgte so für eine Mehrheit der Abgeordneten gegen das Kabinett von Premierminister Michel Barnier. Kommentatoren fragen sich, wie es nun im Land und für Präsident Emmanuel Macron weitergehen könnte.

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L'Opinion (FR) /

Alle stehen als Verlierer da

Keiner der Beteiligten geht siegreich hervor, klagt L’Opinion:

„Es verliert der Staatspräsident, dessen Parlamentsauflösung den politischen Zerfall beschleunigt hat, wo er doch eine Klärung versprochen hatte, die das Land wieder in Schwung bringen sollte. Es verliert der Premier, der alles andere als segenbringend ist und feststeckt in einer auf Dialog und Respekt basierenden Methode, die in diesen Zeiten 'trübseliger Leidenschaften' obsolet ist. … Es verliert das Linksbündnis NFP: La France insoumise hat sich durch ihre Chaos-Besessenheit diskreditiert. ... Es verliert das Rassemblement national, das sichtbar wieder zu einer populistischen Partei der Unordnung, der Doppelzüngigkeit und der enthemmten Demagogie geworden ist.“

Corriere della Sera (IT) /

Ende des Macronismus

Macrons politische Idee ist gescheitert, urteilt Corriere della Sera:

„Denn die rot-braune Allianz zwischen den beiden gegensätzlichen Populismen hat gewonnen. ... Bei den Wahlen im vergangenen Juni hatte der Präsident den Vormarsch von Marine Le Pen dank eines zwar nicht erklärten, aber offensichtlichen Bündnisses mit der Linken gestoppt. Doch dann startete er eine Regierung, die vom Wohlwollen Marine Le Pens abhing. Das konnte nicht von Dauer sein... Macron hat das Spiel verloren. Das ist das Ende des Macronismus. Die Idee, die Flügel zu stutzen und in die Mitte zu rücken, funktionierte zwei Präsidentschaftswahlen lang, brach aber angesichts der sozialen Krise und der Unbeliebtheit des Präsidenten zusammen.“

La Tribune de Genève (CH) /

Politische Ruinenlandschaft

Emmanuel Macron hat Frankreich in eine Sackgasse gesteuert, konstatiert La Tribune de Genève:

„Der Präsident verfügt über keinen Hebel, um es herauszuführen, denn er muss noch sechs lange Monate warten, bevor er die Nationalversammlung erneut auflösen kann. Bis dahin könnten sich die Versuche, eine neue Regierung zu ernennen, als fruchtlos erweisen. … Es bleibt also der Rücktritt. Mit wahrscheinlich schmerzhaften Folgen. In einem durch Unstimmigkeiten zermürbten Land mit einer geächteten radikalen Linken und einer extremen Rechten in Machtposition würde sich eine vorgezogene Neuwahl des Präsidenten als äußerst heikel und explosiv herausstellen. Doch dies ist nötig, um mit dem Macronismus abzuschließen. Emmanuel Macron wollte die politische Landschaft Frankreichs umgestalten, doch letztlich hat er sie in Schutt und Asche gelegt. Nun ist alles wiederaufzubauen.“

Polityka (PL) /

Der Präsident wird auch diese Krise überstehen

Polityka glaubt nicht an ein vorzeitiges Abtreten des französischen Präsidenten:

„Der Sturz der Regierung Barnier stellt eine empfindliche politische Niederlage für Präsident Emmanuel Macron dar, dessen Rücktritt sowohl von der Linken als auch von den Nationalisten seit Langem gefordert wird. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich Macron unter solchem Druck nicht schlecht schlägt. Daher erwarten Kommentatoren nicht, dass der Präsident zurücktritt – zumindest bis auf Weiteres (die aktuelle Amtszeit dauert bis 2027).“

Le Monde (FR) /

Barnier hat sich ködern lassen

Barnier ist in die Falle des RN getappt, kritisiert Le Monde:

„Der Regierungschef hat in den vergangenen drei Monaten nichts getan, um solide Brücken zur gemäßigten Linken zu schlagen. Er wandte sich reflexartig nach rechts und die Besessenheit von Innenminister Bruno Retailleau, dem einzigen Starpolitiker der Regierung, bestand darin, die zum RN abgewanderte Wählerschaft auf Kosten eines Überbietens in Sachen Zuwanderung zurückzuerobern. Im Rahmen einer Drei-Parteien-Konstellation ohne Mehrheit war das Spiel besonders gefährlich. Die Falle ist zugeschnappt.“

Trud (BG) /

Das konnte nicht lange gut gehen

Barniers Kabinett war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, kommentiert Trud:

„In der DNA des Kabinetts, das vor drei Monaten von dem ehemaligen EU-Technokraten Barnier zusammengestellt wurde, war von Anfang an angelegt, dass es in absehbarer Zeit zu Fall kommen wird. ... Wie kann eine Regierung, die von der extremen Linken und der extremen Rechten gestützt wird, in einem Land, das die Demokratie achtet, lange bestehen? Entgegengesetzte Säulen sind ein Garant für Stabilität in der Natur, aber nicht in der Politik, die kein Gleichgewicht braucht, sondern ein Übergewicht, um im Interesse der sozialen Schicht zu regieren, die sie stellt.“