Belgien: Was bedeutet die neue Regierung?

In Belgien hat sich eine neue Regierung unter dem flämischen Nationalisten Bart De Wever formiert. Seine N-VA, die mehr Autonomie für Flandern anstrebt, koaliert mit der liberalen MR, Christdemokraten und Sozialdemokraten. Kommentatoren diskutieren, was nun auf das Land zukommen könnte.

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Tages-Anzeiger (CH) /

Patchwork der besonderen Art

Der Tages-Anzeiger versucht eine politische Einordnung:

„Die EU wird es in Belgien künftig mit einer konservativ-christdemokratisch-liberalen Regierung mit sozialdemokratischen Einsprengseln zu tun haben. Sie setzt auf Atomkraft und eine Begrenzung der Migration in Abstimmung mit der EU. Die Partei des neuen Regierungschefs De Wever zählt in der EU zum Lager der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, aber programmatisch liegt sie eher bei Europas konservativen Parteien. Die Brandmauer gegen Rechtsextremismus befolgt sie seit Jahren strikt. Es kann also keine Rede davon sein, dass Belgien künftig rechts regiert wird.“

Le Soir (BE) /

Noch ist vieles offen

Le Soir fragt nach der Stabilität der Koalition:

„Garantiert die Länge der Verhandlungen ein Links-Rechts-Gleichgewicht des Programms (die Wohlhabenden zur Kasse bitten/keine Steuererhöhung), was ihm eine gewisse Beständigkeit und sogar eine breitere Akzeptanz verschaffen könnte? ... Oder ist es, ganz im Gegenteil, ein Zeichen für die große Fragilität einer Koalition, die angesichts ihrer gegensätzlichen Persönlichkeiten, der nur oberflächlich gelösten ideologischen Differenzen oder durch Angriffe von außen zerbrechen könnte? Wir werden mehr über den Inhalt dieses Regierungsprogramms erfahren müssen, um es beurteilen zu können.“

La Libre Belgique (BE) /

Sofort konstruktiv loslegen

La Libre Belgique hat Hoffnung:

„Die Koalition bietet Belgien die einmalige Chance, unser Land grundlegend zu reformieren, um die wirtschaftlichen, sozialen und technologischen Herausforderungen zu bewältigen. ... Die Regierung De Wever muss ihr dreifaches Ziel erreichen: die Arbeitslosenquote senken, den Mangel an Arbeitsplätzen beheben und unsere Verwaltungen effizienter machen. Der gewerkschaftliche und politische Widerstand wird gewaltig sein. Die Arizona-Koalition kann nicht in einem Konfrontationskurs verharren. Ab Montag muss sie die Saat für einen konstruktiven sozialen Dialog streuen.“

De Standaard (BE) /

Flandern bekommt die Oberhand

Auch ohne separatistische Pläne wird es eine flämische Wende geben, warnt De Standaard:

„Mit welchem spaltenden Argument sollte die N-VA noch der flämischen Autonomie hinterher jagen, wenn der föderale Staat doch den flämischen Interessen dienen wird und entscheidende Ministerien wie Haushalt, Renten, Finanzen, Volksgesundheit und Migration fest in flämischer Hand sind, geführt von erfahrenen Hasen? ... Die Französischsprachigen, die De Wever fürchten, weil er doch noch das Land spalten könnte, täuschen sich in ihrer Einschätzung der Folgen seiner Übernahme auch von Wallonien und Brüssel.“