Ein Jahr nach dem Tod von Alexej Nawalny

Am Wochenende hat sich der Tod Alexej Nawalnys das erste Mal gejährt. Der bekannteste und wohl auch schärfste Widersacher des Regimes von Wladimir Putin war nach einem überlebten Giftanschlag und drei Jahren äußerst strenger Haft in einem Straflager in Russlands Polarregion unter unklaren Umständen plötzlich gestorben. Medien bedauern den Verlust der Galionsfigur der russischen Opposition.

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The Observer (GB) /

Seine Qualitäten wären jetzt gefragter denn je

Nawalnys prinzipientreue Mahnungen fehlen in der aktuellen Lage, beklagt The Observer:

„Wenn Trump Putin ein 'Genie' nennt, das großen 'gesunden Menschenverstand' demonstriere, versteht er dann, dass er es mit einem skrupellosen Mörder zu tun hat? Wenn Trump den westlichen Konsens erschüttert, dass Putin der Aggressor ist, gegen den man sich um jeden Preis wehren muss, und stattdessen ein freundschaftliches Tête-à-Tête zur Ukraine vorschlägt, ahnt er dann, wie sehr er von diesem zynischen Ex-KGB-Schläger manipuliert wird? Weiß J. D. Vance, Trumps ignoranter Vizepräsident, welch gefährliches Spiel er spielt, wenn er mit Europas Pro-Putin-Neofaschisten der extremen Rechten flirtet? Es scheint nicht so. Nawalny würde sie zurechtweisen. Aber er ist tot.“

Corriere della Sera (IT) /

Zerstreutes Vermächtnis

Auch im Exil ist die russische Opposition uneins und deshalb schwach, klagt Corriere della Sera:

„Die ersten Anzeichen einer Implosion waren bereits zu Nawalnys Lebzeiten aufgetreten. Im Juni 2023 hatten sich seine Mitarbeiter geweigert, an einer vom Europäischen Parlament organisierten Veranstaltung teilzunehmen, die darauf abzielte, einen gemeinsamen Ton unter den vielen Stimmen der Opposition im Exil zu finden. Leonid Wolkow, Nawalnys [damaliger] Stabschef, sagte, man wolle nicht mit Aktivisten 'im selben Boot' sitzen, die ihre Vision nicht teilten. ... 'Wir wollen ein anderes Russland', lautete der Titel des EU-Treffens. Doch die Teilnehmer waren sich uneins darüber, wie man dieses Ziel erreichen kann.“

Dagens Nyheter (SE) /

Nicht jeder muss ein Nawalny sein

Dagens Nyheter appelliert an Russlands Bürger, mit kleinen Schritten Mut zu zeigen:

„Wenn die Demokratie ins Wanken gerät, ist der Einzelne gefordert, sie zu retten. Aber es gibt dafür andere Wege als die großen. ... Auf Machtmissbrauch aufmerksam machen, einen kleinen Beitrag an eine Organisation leisten, den Mut haben, seine Meinung zu sagen, alltägliche Freundlichkeit zeigen, die Kraft aufbringen, ein paar Zeilen des Protests zu schreiben – vielleicht sogar einer politischen Partei beitreten. 'Es ist nicht erlaubt, aufzugeben', sagte Nawalny. 'Wenn sie beschließen, mich zu töten, bedeutet das, dass wir extrem stark sind. Wir müssen diese Stärke nutzen.' Nicht jeder kann Alexej Nawalny sein. Aber jeder ist jemand.“