Weltfrauentag zwischen Wut, Euphorie und Nostalgie

Zum Internationalen Tag der Frau, am 8. März, gehen weltweit Frauen und Männer auf die Straße, um gegen Diskriminierung, Gewalt und Unterdrückung zu demonstrieren. Europas Presse hält inne und macht dabei auch einen möglichen Rückwärtstrend aus.

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El País (ES) /

Gemeinsam sind wir unendlich viel stärker

El-País-Autorin Luz Sánchez-Mellado erinnert sich, wie ihre erste Frauendemo sie vor neun Jahren prägte:

„Weit vom vereinbarten Treffpunkt entfernt, musste ich das Auto stehenlassen und reihte mich in eine Flut aus Mädchen, Frauen und Seniorinnen ein, die aus einer Kehle 'Wir wollen uns lebendig' skandierten. Das elektrifizierende Knistern bedeutender Ereignisse lag in der Luft. Eine Mischung aus Wut und Euphorie. ... Bis ich mich selbst schreien hörte: 'Wir sind hier, die Fe-mi-nis-tin-nen!', obwohl ich mich nie so definiert hatte. Ich war 50, und ebenso viele Jahre hatte ich mich mit Ellbogen und Selbstachtung durch das Patriarchat in- und außerhalb des Zuhauses gekämpft – und ich glaubte, wie so viele meiner Altersgenossinnen, dass das genug sei. An dem Tag wurde mir klar, dass es nicht reichte und dass wir gemeinsam unendlich viel stärker waren.“

eldiario.es (ES) /

Was die Ewiggestrigen denken

María Eugenia R. Palop, Dozentin für Menschenrechte, analysiert in eldiario.es Gegenargumente zur Gleichberechtigung:

„Die extreme Rechte setzt voraus, dass Ungleichheit eine Selbstverständlichkeit ist und dass es schon immer 'überlegene' Wesen gab und geben wird, die von der Natur berufen sind, die Herde anzuführen. Diese natürlichen Anführer sind männlich, weiß und reich. ... Ihr gesellschaftlicher Erfolg bestätigt ihre Verdienste, ihre Verdienste bestätigen ihre Stärke und ihre Stärke bestätigt ihre natürlichen Fähigkeiten. Im Kern dieses Arguments liegt ein uneingeschränktes Zugeständnis an meritokratische, auf Verdienste basierte Gesellschaften – Verdienste allerdings nicht im 'liberalen', sondern im 'konservativen' Sinne einer starren Beibehaltung des natürlich-materiellen Wesens (dessen, was ist und so sein muss, weil es schon immer war).“

Corriere della Sera (IT) /

Wollen wir wirklich zurück in alte Zeiten?

In Corriere della Sera warnt die Schriftstellerin Dacia Maraini vor falscher Nostalgie:

„Heute haben wir es mit vielen neuen Ängsten zu tun, die uns lähmen und den Wunsch, die Welt innovativ zu verändern, letztlich hemmen. … Unsere Gewissheiten werden auf die Probe gestellt, und viele sind so verängstigt, dass sie sich lieber wieder in ihren kleinen Häusern einschließen und den Kopf unterm Kopfkissen verstecken, um sich den Gefahren nicht zu stellen. Angesichts solcher Ängste gewinnt die Vorstellung an Kraft, dass man zurückkehren muss. Die 'gute alte Familie' wird idealisiert und viele lassen sich davon anstecken. ... Die unmittelbarste und einfachste Antwort lautet: Wir gehen zurück! Doch sind wir wirklich sicher, dass das wünschenswert ist?“

Die Presse (AT) /

Patriarchat größtenteils überwunden

Man sollte die Fortschritte in Sachen Gleichberechtigung nicht kleinreden, meint Die Presse:

„Natürlich ist längst nicht alles gut. ... Nicht gut ist es aber auch, eine Weltanschauung zu zelebrieren, die insinuiert, dass wir im Westen immer noch in einer Gesellschaft leben, die Frauen systematisch unterdrückt. Denn das Patriarchat mag in den Köpfen mancher Männer – nicht zuletzt unter Zuwanderern aus muslimischen Ländern – weiter bestehen. Zumindest rechtlich aber wurden ihm die Zähne gezogen. Dennoch erweist man Frauen und Mädchen keinen Dienst, indem man sie zu Opfern stilisiert. Denn wem eingeredet wird, dass er diskriminiert wird, der verhält sich auch so.“