100 Tage Trump II: Alles auf den Kopf gestellt?
Am heutigen Dienstag ist es 100 Tage her, seit Donald Trump zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt wurde – für die Presse jeweils der Zeitpunkt für eine erste Bilanz. Angesichts von Trumps Aktionismus in Innen- und Außenpolitik haben die Kommentatoren reichlich Stoff dafür.
Der Populist ist schnell unpopulär geworden
Ziemlich verheerend fällt die Bilanz aus Sicht von Hospodářské noviny aus:
„Donald Trump wird während seiner zweiten Amtszeit zweifellos eine Reihe von Rekorden aufstellen. Einer ist schon nach 100 Tagen gefallen: Er ist der unbeliebteste Präsident in dieser Phase einer Amtszeit seit Jahrzehnten. Und das, obwohl für ihn nur die Popularität bei den Wählern zählt. ... Das wichtigste Publikum, für das Trump seine unberechenbare Polit-Show inszeniert, sind die Amerikaner. ... Aber auch die Amerikaner sind frustriert. Einer Umfrage der New York Times zufolge würden 66 Prozent der Befragten Trumps zweite Amtszeit am ehesten als 'chaotisch' beschreiben, gefolgt von 'beängstigend' und 'nervig'.“
Ein Blender, wie er im Buche steht
Trumps Inszenierungen sollte man nicht für bare Münze nehmen, schreibt NRC:
„Er schwingt den schwarzen Marker, mit dem er Dekrete zeichnet, wie einen Zauberstab. Für einen Mann, der die Nation über die Boulevardpresse und Reality-TV in den Glauben versetzte, er sei ein Wirtschaftsgenie, passt dies ins Bild. Trump täuscht Macht vor, so wie ein Influencer auf Instagram Erfolg oder Reichtum 'manifestiert'. Aber Dekrete sind kein Allheilmittel. Politisch gesehen sind sie sogar ein Zeichen von Schwäche. ... Solange die USA freie Wahlen haben, ist das Land (noch) nicht die Diktatur, die Trump anstrebt. Dass er sich als Potentat aufspielt, sollte demokratische Gegenkräfte nicht einschüchtern oder entmutigen.“
Frontalangriff auf den Rechtsstaat
US-Kolumnist Alan Friedman wettert in La Stampa:
„In nur 100 Tagen hat Donald Trump geschafft, was Pessimisten zwar befürchtet hatten, sich aber kaum vorzustellen wagten: Einen systematischen Angriff auf die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die grundlegenden Bürgerrechte, die unsere Nation seit über zwei Jahrhunderten ausmachen. Sofort nach seinem Amtsantritt hat Trump damit begonnen, die Grundlagen des demokratischen Staates zu demontieren. ... Seine erste Amtshandlung war die Begnadigung von 1.600 Aufrührern, die für den Aufstand vom 6. Januar 2021 verantwortlich waren: seine Gefolgsleute. Seitdem hat Trump Urteile des Obersten Gerichtshofs ignoriert, führende Anwaltskanzleien eingeschüchtert und den Justizminister angewiesen, seine politischen Gegner zu verfolgen. Die Unabhängigkeit der Justiz ist nun direkt bedroht.“
Den Konservativen einen Bärendienst erwiesen
Verpasste Chancen bedauert Berlingske-Chefredakteur Tom Jensen:
„Teile der Analysen des Trumpismus waren richtig: Es brauchte einen Showdown mit der erstickenden Identitätspolitik, es war nötig, die illegale Einwanderung einzudämmen, sich mit Chinas Missbrauch des internationalen Handelssystems auseinanderzusetzen. ... Aber Donald Trump ist dabei, die konservative Strömung zu zerstören, deren Fackelträger er hätte werden können. ... Trumps problematische Persönlichkeit zeigt sich wohl am deutlichsten in der Handelspolitik. ... Wirtschaftliche Unsicherheit und Inflation könnten innerhalb kurzer Zeit zum Waterloo des Trumpismus werden. Dann könnte es lange dauern, bis in den USA wieder ein Konservativer an die Macht kommt.“