Islam-Vertreter verurteilen Terrorattacke
Nach dem Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo haben muslimische Verbände und Gelehrte in der ganzen Welt die Tat verurteilt. Kommentatoren werten die Terrorattacke auch als Angriff auf einen modern gelebten Islam und kritisieren, dass Rechtspopulisten versuchen, daraus Kapital zu schlagen.
Kriegserklärung an modernen Islam
Der brutale Anschlag auf die Redaktion von Charlie Hebdo richtet sich auch gegen den Islam, analysiert der in Paris lebende marokanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun in der linksliberalen Tageszeitung Le Monde: "Dass die Attentäter 'Allah ist groß' gerufen haben, bedeutet, dass sie auch gegen den Islam und die Muslime gehandelt haben. Es ist eine Kriegserklärung an die Demokratie, deren Institutionen und Gesetze einen republikanischen Islam ermöglichen. … Wir müssen uns klar machen, dass es nicht um einen Ausrutscher einiger Schurken geht, die nach Rache streben, sondern dass ein radikaler und bösartiger Wille besteht, Muslime daran zu hindern, ihre Religion auf laizistischem Boden unter Achtung republikanischer Gesetze auszuleben; der Wille, sie zu isolieren und sie zu Feinden Frankreichs zu machen. Wir müssen alle Widerstand leisten, denn wir sind alle betroffen."
Allah würde Attentäter gnadenlos strafen
Allah würde die in seinem Namen mordenden Dschihadisten gnadenlos bestrafen, lebte er tatsächlich, ist der Soziologe Ferenc Krémer auf dem linksliberalen Meinungsportal Galamus überzeugt: "Allah ist tot, und Mohammeds Worte werden vom Winde verweht. Allah ist nicht wegen des Pariser Mordanschlags gestorben, er war bereits tot, als Osama Bin Laden auf den Plan trat. Lebte er, würde er eine entsetzliche Strafe über diejenigen verhängen, die in seinem Namen unschuldige Menschen dahinmorden. Aber auch über diejenigen, die noch immer so leben wollen wie vor anderthalbtausend Jahren. Die unbegreifliche Unmenschlichkeit des Islamischen Staates ist nur deshalb möglich, weil es sich bei ihm um die Zombie-Armee eines toten Gottes handelt."
Muslimische Welt hat Terror erschaffen
Das Attentat von Paris ist ein weiteres Beispiel dafür, zu welchen Grausamkeiten Muslime in der Lage sind, wettert die kemalistische Tageszeitung Sözcü: "Nach dem Attentat wurden unsere Regierungsvertreter unruhig und riefen, als ob sie selbst die Täter wären: 'In unserer Religion gibt es keinen Terror. Islam und Terror sind unvereinbar.' Nun mein Bruder, überall auf der Welt wird Terror von islamistischen Organisationen ausgeübt. ... Sie bombardieren, bedrohen mit Waffen, schneiden Köpfe und Arme ab, entführen und vergewaltigen. ... Wie kommt es, dass die Lotterie immer unsere Religion trifft? Weil von Muslimen eine islamische Welt erschaffen wurde, in der Kritik verboten ist, es weder Gedanken- noch Meinungsfreiheit, ja überhaupt keine Freiheiten gibt. Alles wird mit Blut, Waffen und Druck gelöst. Frauen gelten als Bürger dritter Klasse und Sklaven. ... Wer eine Waffe in der Hand hat, hat die Macht. Und das alles nur, um die Regeln des Islams zu verwirklichen."
Kein Rezept gegen neuartigen Terrorismus
Die Sicherheitsmaßnahmen, die nach 9/11 im Kampf gegen Terror entwickelt wurden, konnten dem Anschlag von Paris gar nicht vorbeugen, meint Kolumnist Ovidiu Nahoi auf dem Blog der liberal-konservativen Tageszeitung Adevărul: "Der Anschlag von Paris gehört zu den Attentaten der Generation 2.0, die den Stempel des Islamischen Staates tragen. Das zentralisierte System aus der Zeit von Al-Quaida, wo die Anschläge vom Zentrum aus genehmigt und finanziert wurden, scheint Vergangenheit. Die [Antiterror-]Maßnahmen nach dem 11. September hatten Erfolg, auch wenn sie eine verstärkte Überwachung der Kommunikation, der Banktransfers und mehr bedeuteten. Die Attentate der 2.0-Generation sind viel schwieriger auszuschalten, weil sie von individuell operierenden Tätern ausgeübt werden, die oft spontan agieren. ... Kann man künftig Methoden entwickeln, mit denen man nicht nur Kommunikationsnetzwerke abhört, sondern sogar in die Köpfe der Leute vordringt?"
Le Pen verhindert Einheit Frankreichs
Am Tag nach dem Attentat auf Charlie Hebdo hat Frankreichs Präsident Hollande seinen Widersacher Nicolas Sarkozy im Elysée-Palast empfangen, um die Einheit des Landes nach dem Attentat zu beschwören. Doch das wird schwer, meint der linksliberale Tages-Anzeiger: "Die ersten falschen Töne wurden schon wenige Stunden nach dem Attentat laut. Und sie kamen wenig überraschend aus ... dem rechtsextremen, islamophoben Front National. Marine Le Pen sagte, natürlich sei es falsch, alles zu vermischen: 'Doch das darf keine Entschuldigung sein für Untätigkeit und Verkennung der Realität.' ... Und Marine Le Pens Vater Jean Marie stellte schnell die Korrelation zwischen dem Terror und der 'Masseneinwanderung' her, die Frankreich seit einigen Jahrzehnten 'erdulden musste', wie er sagt. An solchen Voten könnte Hollandes Versuch scheitern, die Welten zu kitten, die Polarisierung im Land zu entschärfen."
Extremisten vereint im Hass auf Medien
Der Vizevorsitzende der von Teilen der Wissenschaft als rechtspopulistisch eingestuften Partei AfD, Alexander Gauland, hat nach dem Anschlag von Paris gesagt, dieser würde all jene Lügen strafen, die die Angst der Menschen vor einer angeblichen islamistischen Gefahr ignorierten. Noch nie waren sich Islamisten und Islamhasser so nah, meint die linksliberale Berliner Zeitung: "Gauland, der 'Pegida' als 'natürliche Verbündete' seiner AfD betrachtet, betrieb öffentliche Leichenschändung. ... Was sie [mit den Islamisten] verbindet, ist ihr Hass auf die 'Lügenpresse', dem die [Pegida-]Demonstranten in Dresden Montag für Montag grölend Ausdruck verleihen - nichts anders trieb die Attentäter an, die versuchten, die Lügenpresse zum Schweigen zu bringen. ... Die Kugeln wurden nicht nur auf Journalisten abgefeuert, sie sollten einen Journalismus zur Strecke bringen, der den Geist der Freiheit gegen alle verteidigt, deren Denken vom Ressentiment bestimmt wird und ihr Fühlen von Angst und Hass."