EZB treibt Börsenkurse in die Höhe
Die Ankündigung des EZB-Anleihenkaufprogramms in Billionenhöhe hat die Börsenkurse am Donnerstag in die Höhe schießen lassen. Der Euro fiel hingegen unter 1,14 Dollar. Davon profitiert die Exportwirtschaft, jubeln einige Kommentatoren. Andere sehen die Euro-Zone am Ende, da die Notenbank zu ihrem letzten Mittel greifen muss.
Export profitiert vom niedrigen Euro
Inwieweit die EZB-Anleihenkäufe die Wirtschaft beleben, ist noch unklar. Sicher ist aber, dass der Kursverfall des Euro der Exportwirtschaft einen kräftigen Schub geben wird, meint die liberale Tageszeitung Turun Sanomat: "Bisher ist es der EZB nicht gelungen, die Inflation und das Wirtschaftswachstum durch eine Beibehaltung des Leitzinses bei fast null Prozent und einen negativen Einlagenzins bei der Zentralbank anzukurbeln. Noch kann man zwar nicht sicher sein, ob die massiven Anleihenkäufe das Wachstum in der Eurozone beschleunigen. Aber andere Mittel stehen derzeit nicht zur Verfügung. Sicher ist, dass der Kursverfall des Euro die Wettbewerbsfähigkeit der Exportunternehmen verbessert. In Finnland haben die Ökonomen der OP-Bank am Donnerstag bereits die Wachstumsaussichten für Finnland angehoben. Die Begründung dafür waren die verbesserten Exportaussichten."
Draghis Geld nimmt Druck von Krisenstaaten
Die Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi wird von der konservativen Times begrüßt: "Es ist der richtige Schritt, der mit Bedacht entwickelt wurde. Leider kommt er spät und wird Europa nicht im Alleingang von seiner Krankheit heilen. Die schwächelnde Konjunktur Europas verlangt nach einer radikalen Strukturreform. Wenigstens dürfte der von Mario Draghi angekündigte neue Ansatz eine Atempause vom Druck der Sparmaßnahmen und Deflation bedeuten. … Mehr Stabilität wird den europäischen Regierungen helfen, umzusetzen, was getan werden muss um langfristiges Wirtschaftswachstum zu sichern: Kosten einsparen, den Arbeitsmarkt liberalisieren und Anreize für Firmeninvestitionen schaffen. Quantitative Lockerung kann kein dauerhaftes Wachstum kreieren: Es ist nur ein Mittel zum Zweck."
Anti-Depressivum für Europa
Die Entscheidung der EZB könnte Europa aus seiner depressiven Lethargie reißen und somit helfen, die vielen politischen und wirtschaftlichen Krisen als Chance zu begreifen, meint die bürgerliche Wochenzeitung Weekendavisen: "Natürlich liegt ein Risiko darin, Russland in ein schwarzes Loch fallen zu lassen. Aber wenn wir nicht so deprimiert wären, fiele uns vielleicht etwas anderes ein, als nur die Hände zu ringen. Natürlich ist die Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa skandalös hoch und liegt in Griechenland fürchterlich viel im Argen. Aber wenn wir nicht so niedergeschlagen wären, hätten wir etwas tun können. ... Wer nur schwarzsieht, lähmt sich selbst. ... Die Entscheidung der EZB überlässt die Verantwortung den jeweiligen Regierungen. Das wäre der geeignete Anlass einen nüchternen Blick darauf zu werfen, was man ändern kann, damit die Europäer der Zukunft mit Realismus und Hoffnung entgegensehen."
EZB gibt Spekulanten neues Spielgeld
Das EZB-Programm der quantitativen Lockerung ist weder nötig noch wirksam, meint die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung und warnt vor gefährlichen Nebenwirkungen: "Durch die zusätzlich ins Finanzsystem gepumpte Liquidität verstärken sich nämlich die Übertreibungen an den Aktien- und Immobilienmärkten, während die vielerorts in den negativen Bereich gerutschten Zinsen ihre wirtschaftliche Steuerungsfunktion endgültig verloren haben. Freuen dürfen sich kurzfristig orientierte Spekulanten, die von der EZB noch mehr Spielgeld erhalten, und reformunwillige Staaten wie Frankreich oder Italien, denen zusätzliche Zeit gekauft wird, was dem Reformeifer kaum förderlich ist. Es festigt sich der Eindruck, dass die EZB mit ihrem monetären Aktivismus zusehends zu einem Teil des Euro-Problems wird, statt der Lösung."
Euro-Finanzsystem ist komplett am Ende
Nachdem die Sparpolitik versagt hat, deutet die Entscheidung der EZB zum Quantitative Easing nun auf den bevorstehenden Kollaps des europäischen Finanzsystems hin, analysiert das linke Wochenmagazin Politis: "Die Zentralbanken sind in Wahrheit das letzte Bollwerk eines Systems vor dem Zusammenbruch. ... Der letzte Schutzwall wird mit Sicherheit einstürzen. Die Privatbanken, die die verzweifelte Lage erfasst haben, ziehen sich aus der Realwirtschaft zurück und leeren ihre Kassen, indem sie umfangreiche Dividenden und Boni verteilen. Die Staaten haben der immer noch galoppierenden Verschuldung nichts anderes mehr als Budgetkürzungen entgegenzusetzen. Und was wird die EZB mit den Schulden in ihren Kassen machen, die die Staaten nicht von ihr zurückkaufen können? Mit den jüngsten Ankündigungen von Mario Draghi steuern wir auf das Ende der letzten Runde zu."