Rom drängt auf Militärschlag gegen Libyen
Italien fordert einen UN-Militäreinsatz in Libyen, nachdem am Sonntag ein Video im Netz aufgetaucht ist, das die Enthauptung von 21 ägyptischen Kopten durch die IS-Terrormiliz in dem Land zeigt. Ein Eingreifen ist alternativlos, denn der IS steht kurz vor Europa, kommentieren Journalisten und mahnen zugleich, beim Aufbau staatlicher Strukturen in Libyen zu helfen.
Bedrohung durch IS rückt immer näher
Europa sollte sich auf ein militärisches Eingreifen in Libyen vorbereiten, fordert die konservative Tageszeitung ABC: "Ein Blick auf die Landkarte sollte in allen europäischen Ländern die Alarmglocken läuten lassen. Nicht umsonst haben die Täter ihre Opfer nicht in die Wüste, sondern an die Mittelmeerküste geführt, die wir mit den arabischen Völkern in Nordafrika teilen. Der Mord an den Kopten sollte als das interpretiert werden, was er darstellt: eine direkte Bedrohung Europas, der Versuch einer Einschüchterung. ... Mehr als ein Jahrzehnt hat die Nato einen riesigen Einsatz in Afghanistan durchgeführt, das mehr als 6000 Kilometer von Spanien weg ist. Vielleicht sollten wir uns auf eine Intervention in Libyen vorbereiten, das sich nicht einmal 300 Kilometer von Italien entfernt befindet, weil sonst der ganze Maghreb von einem terroristischen Stützpunkt aus bedroht wird, und das europäische Territorium in seiner Waffenreichweite liegt."
Europa stiehlt sich aus der Verantwortung
Frankreichs Präsident Francois Hollande und Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi haben nach der Ermordung der koptischen Christen in Libyen eine Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrats gefordert. Europa überlässt Frankreich die Bühne, klagt die liberale Tageszeitung Corriere del Ticino: "Europa interessiert sich nicht für seine südliche Grenze. Es unternimmt nichts, weder angesichts der Flüchtlingsströme, noch angesichts der konkreten Bedrohung durch den islamischen Radikalismus. ... Europa entzieht sich seiner Verantwortung, weil niemand da ist, der im Ernstfall die Regie übernimmt. Wie schon in Griechenland und in der Ukraine überlässt Europa die Bühne gerne jemand anderem. Im Falle Libyens ist Frankreich an der Reihe. Ein Frankreich, das al-Sisi wohl gesonnen ist, mit dem es gute Geschäfte macht."
Auf Militäreinsatz muss Staatsaufbau folgen
Zu einem militärischen Eingriff in Libyen gibt es aktuell keine ernsthaften Alternativen, glaubt die linksliberale Tageszeitung Libération und mahnt zu einer nachhaltigeren Mission als in der Vergangenheit: "Vier Jahre nach einer militärischen Intervention, die die Vorbereitung der Zukunft außer acht gelassen hat, bleiben nur noch schlechte Lösungen übrig. Sich nicht einmischen? Unmöglich, so lange das Chaos auf Europa überzugreifen droht. Eine anti-dschihadistische Koalition schließen, wie Ägypten und Italien fordern? Gefährlich, doch das Schlimmste ist, dass wir vielleicht keine andere Wahl haben. Einige Generalstäbe brüten seit Monaten über diesem Thema. Eins ist sicher: Wenn eine Intervention nötig ist, muss sie auf unbestreitbaren rechtlichen Grundlagen erfolgen, gemeinsam mit den arabischen Ländern, unter UN-Mandat und vor allem mit einem echten Plan für die Zukunft."
Libyen braucht Stabilität statt Bomben
Vor einer weiteren Destabilisierung Libyens warnt die konservative Tageszeitung The Daily Telegraph nach Ägyptens Vergeltungsschlägen gegen den Islamischen Staat (IS): "Der IS ist eine ernsthafte Bedrohung für Ägypten und sein wachsender Einfluss auf der Sinai-Halbinsel ist eine echte Herausforderung für Kairo. ... Es ist aber wichtig, die Rolle des IS in Libyen vom Bürgerkrieg im Land zu trennen. Nicht alle libyschen Oppositionellen sind Dschihadisten. So zu tun, als sei dies der Fall, führt ganz sicher in die Katastrophe. Die Gefahr besteht darin, dass Ägypten die libysche Regierung zu einer kompromisslosen, aggressiven Strategie gegenüber der Opposition in Tripolis drängt und damit eine politische Lösung für den Bürgerkrieg unmöglich macht. Doch ohne diese Lösung ist Stabilität in Libyen nur schwer vorstellbar."