Cameron will EU-Referendum vorziehen
Die britische Regierung will Medienberichten zufolge möglichst schon vor 2017 das Referendum über den Verbleib Großbritanniens in der EU abhalten. Kommentatoren halten eine vorgezogene Abstimmung für sinnvoll, da Premier Cameron den Rückenwind des Wahlsiegs nutzen kann, während Politik und Märkte schneller Klarheit bekommen.
Premier sollte Rückenwind des Wahlsiegs nutzen
Sowohl innen- als auch außenpolitische Gründe sprechen aus Camerons Sicht für eine Vorverlegung des EU-Referendums, analysiert die linksliberale Tageszeitung The Guardian: "Von Brüssel kann sich Cameron nicht mehr als ein Versprechen für Reformen in der Zukunft erhoffen. Ein weiteres Jahr des Wartens wird da nicht allzu viel Unterschied machen. Doch je länger er wartet, desto mehr wird sein neu angehäuftes politisches Kapital wieder abgebaut sein. Die Wahlen in Frankreich und Deutschland 2017 verkürzen ebenfalls den Zeitraum für konstruktive Verhandlungen. Durch schnelles Handeln kann der Premier mit seinem Mandat eines glänzenden Wahlsiegers mürrischen Tory-Hinterbänklern im Parlament entgegentreten und an das Land appellieren, ihn zu unterstützen. Das wird schwieriger werden, sobald sich die typische generelle Unzufriedenheit in der Mitte der Legislaturperiode verstärkt."
Gute Gründe für vorgezogenen Volksentscheid
Je früher die Briten über den Verbleib in der EU abstimmen, desto besser, findet Carlos Carnicero Urabayen in seinem Blog für El Huffington Post: "Der Grund ist klar. Je früher das Referendum kommt, desto früher verschwinden die Zweifel, die ab sofort auf Großbritannien lasten. Denn eines steht fest: Auch wenn die Märkte heute noch über die Fortsetzung der Cameron-Regierung jubeln, werden sie doch spätestens übermorgen damit beginnen, sich täglich zu fragen, ob das Land, in das sie investieren, in der EU bleibt oder nicht. Je schneller diese Ungewissheit ausgeräumt wird, desto besser. Cameron hat noch weitere Gründe, das Referendum 2016 durchzuführen. 2017 finden nicht nur die Präsidentschaftswahlen in Frankreich statt, sondern aufgepasst: Im Juli desselben Jahres wird Großbritannien auch die rotierende Ratspräsidentschaft der EU übernehmen."
Cameron muss Reformen in der EU anstoßen
Wenn die neue britische Regierung das Referendum tatsächlich vorziehen will, sollte sie sich beeilen und Reformen in der EU anstoßen, meint die konservative Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Dann muss die Regierung Cameron genau klären, welche Reformen sie anstrebt; bislang werden etwa die Stärkung des nationalen Parlaments und die Erschwernis des Bezugs von Sozialleistungen für EU-Bürger auf Arbeitssuche genannt. ... Sollte es substantielle Vertragsänderungen geben, dann wird ein ehrgeiziger Zeitplan nicht einzuhalten sein, und die Phase der Unsicherheit wird noch länger dauern. Vor allem muss Cameron Partner gewinnen, die ihn unterstützen, und Mehrheitskoalitionen bilden. Bei der Übung sah er bisher eher schlecht aus. Wenn britische Härte auf kontinentale Sturheit trifft, dann rückt ein 'Brexit' näher. Ziel sollte eine Reform der EU sein, die allen nützt."