Merkel und Hollande fordern Ideen von Athen
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande haben Athen aufgefordert, einen Plan zur Finanzierung des Landes vorzulegen. Beide berieten sich am Montag zum heutigen Euro-Sondergipfel. Europa hat jetzt die Chance, vom neoliberalen Sparkurs abzurücken, meinen einige Kommentatoren. Andere erinnern daran, dass die Kosten eines griechischen Schuldenschnitts auf allen Ländern der Währungsunion lasten würden.
"OXI" rettet ganz Europa
Ganz Europa kann vom Nein im griechischen Referendum profitieren, glaubt die konservative Tageszeitung La Vanguardia: "Ironisch aber wahr: Auch wenn es die Gläubiger noch nicht so richtig wahrhaben wollen, könnte das Nein der Griechen die Rettung sein. Für den Euro, für Griechenland und möglicherweise sogar für Spanien, Italien, Portugal und Irland. Wie bitte? Ja, das liegt daran, dass Premier Tsipras eine vernünftige Einigung aushandeln kann, nun da er sich des Rückhalts seines Landes versichert hat. Und da sowohl die Koalition um Kanzlerin Merkel als auch Präsident Hollande samt seiner Gefolgschaft nun wissen, dass sie Tsipras weder absägen noch umgehen können, sind sie sich jetzt der Tatsache bewusst, dass sie einen vernünftigen Kompromiss aushandeln müssen, wenn sie den Euro und damit vermutlich auch die Europäische Union retten wollen."
Greferendum muss EU zum Umdenken zwingen
Mit dem Nein im griechischen Referendum hat die EU begonnen, sich langsam aus der neoliberalen Zwangsjacke zu befreien, hofft die christlich-soziale Tageszeitung Le Courrier: "Dank des Muts von Alexis Tsipras und seiner Regierung haben die Bürger am Sonntag wieder einen Fuß in die Tür Europas bekommen. Wird die Union die historische Chance zu nutzen wissen, die sich dadurch bietet? Und die vielleicht einmalige Gelegenheit, dem Konzept der europäischen Solidarität einen Sinn zu verleihen? Sind die Verteidiger Europas derart erblindet, dass sie nicht wahrnehmen, dass die Instrumentalisierung der Brüsseler Institutionen, um von oben eine neoliberale Agenda aufzuzwingen, dem europäischen Ideal mehr schadet als das Gejammer von [Ukip-Chef] Nigel Farage und [FN-Chefin] Marine Le Pen? Eins ist klar: Das Szenario einer Neuausrichtung der EU ist nach dem Referendum höchst unwahrscheinlich. … Mögen die Entschlossenheit und die Würde der Griechen jedoch einigen der am wenigsten naiven Befürworter der europäischen Einigung die Augen öffnen."
Außenansicht: Südeuropas neue Macht
Mit dem Nein aus Griechenland könnte sich in Südeuropa ein neuer Zusammenschluss gegen das Machtzentrum im Norden formieren, glaubt Ökonom Alfredo Serrano Mancilla in der linksliberalen argentinischen Tageszeitung Página 12: "Die europäische Peripherie rebelliert gegen ihr Schaltzentrum, so wie es seit einigen Jahren viele andere Länder der sogenannten Welt-Peripherie tun. Der Unterschied besteht darin, dass der widerspenstige Staat diesmal innerhalb eines globalen Epizentrums, innerhalb der Eurozone liegt. ... Griechenland hat die Tür aufgestoßen, nicht um Europa zu verlassen, sondern damit Europa wirklich Europa wird und nicht eine euphemistische Maske bleibt, die dem großen transeuropäischen Kapital als Tarnung dient. Dieser Epochenwandel, den Griechenland in Europa angestoßen hat, eröffnet eine historische Chance dafür, dass der Süden endlich seine periphere Rolle abstreift."
Syriza scheitert mit Kampf gegen Sparpolitik
Das Anliegen der Syriza-Regierung, die politischen Koordinaten der EU grundlegend zu verschieben, ist zum Scheitern verurteilt, urteilt die liberal-konservative Tageszeitung Die Presse: "Die Führung der linksradikalen Partei verbreitet die Ansicht, Griechenland könne das kapitalistische und an seine Grenzen geratene Wirtschafts- und Fiskalsystem der Europäischen Union allein ändern. Das ist eine ziemlich große Illusion. Wer ganz am Rand, an der Wand steht, mit einem Berg eigener ungelöster Probleme, hat nicht die Option, einen Systemwechsel herbeizuführen. Syriza gelingt das nicht einmal daheim, wo die Kluft zwischen Arm und Reich größer wird, wo Wohlhabende Woche für Woche Milliarden außer Landes geschafft haben und Pensionisten nun mit 120 Euro pro Woche auskommen müssen. Nichts ist bisher gerechter geworden. Nichts ist besser geworden."
Osteuropa will sich nicht schröpfen lassen
Die Eurogruppe darf sich keinesfalls von Griechenland zu einem Schuldenschnitt erpressen lassen, warnt die linke Tageszeitung Právo: "Die Demokratie kann man nicht erpressen, erklärte Tsipras nach dem Referendum triumphierend. Aber die Demokratien in Deutschland, der Slowakei oder Lettland kann man auch nicht ohne Zustimmung der Bevölkerung dazu drängen, Milliarden abzuschreiben. Die anderen Länder der Eurozone haben das Recht, sich zu äußern, ob sie das griechische Spiel zu spielen bereit sind. ... Für die Osteuropäer könnte die Androhung eigener Referenden ein Mittel sein, die reichen, mächtigen Nachbarn zu bewegen, die finanziellen Folgen einer massiven Schuldabschreibung voll zu übernehmen. Schließlich hat man sich diesen Kurs weder in Bratislava noch in Ljubljana oder Vilnius ausgedacht."