Euro-Parlamente stimmen für Kreditpaket
Der Bundestag hat am Mittwoch dem dritten Kreditpaket für Athen zugestimmt. Die Parlamente in Spanien, Österreich, Estland und den Niederlanden gaben in dieser Woche ebenfalls grünes Licht. Damit beweist die europäische Solidarität ihre Widerstandskraft, freuen sich einige Kommentatoren. Für andere hat Europa verpasst, seine Zukunft neu zu gestalten.
Solidaritätsgedanke lebt doch noch
Als Beweis dafür, dass die europäische Solidarität noch nicht gestorben ist, sieht die konservative Tageszeitung La Vanguardia die Einigung auf ein drittes Kreditpaket: "Allem Frust, allem Populismus zum Trotz hält Europa stand. Es heißt, dass die Einigung mit Griechenland nur eine kurze Atempause gewähren wird, dass sie eine Flucht nach vorn ist und dass die Gewitterwolken schon bald wiederkommen. Das ist sicher richtig. Aber unter allen Widrigkeiten und Problemen ist der Pulsschlag der europäischen Identität weiter fühlbar. Die große Herausforderung besteht darin, ein gerechteres Europa zu schaffen. Jetzt müssen alle, ob sie Varoufakis oder Schäuble oder sonstwie heißen, damit beginnen, an einem Strang zu ziehen. Dann werden sie sich vielleicht eines Tages einig werden."
Europa der Zukunft braucht den Schuldenschnitt
Zwar hat der Bundestag den Weg für das neue Griechenland-Rettungspaket frei gemacht, doch bleibt ein Schuldenschnitt noch immer Tabu, bedauert die katholische Tageszeitung Avvenire: "Athen ist gerettet, fürs Erste. Das Alte Europa ist es nicht. Denn wieder einmal wird die Geburt eines Neuen Europas verhindert. Ohne einen - zumindest teilweisen - Schuldenerlass wird die Europäische Union in drei Jahren vor dem gleichen Dilemma stehen: Soll es Griechenland noch mehr Geld leihen oder ein ganzes Land verlieren und sich darüber spalten? ... Das Ja des deutschen Parlaments wird im Geist eines Alten Europas gegeben. Dieses Europa ist wie gelähmt von der Angst, schon allein das Wort 'Erlass' könnte in anderen Schuldenländern, in denen Wahlen anstehen, populistischen Bewegungen Aufwind geben. Das Neue Europa hätte politische Weitsichtigkeit zeigen müssen und sich das Wort 'Schuldenerlass' in einem Anflug von solidarischem Geist zu eigen machen müssen. Solidarität ist viel wichtiger als der Ausgang irgendwelcher Wahlen."
Künftige Generationen zahlen die Zeche
Die Zustimmung des Bundestags zum neuen Kreditpaket für Athen zeigt, dass die europäische Politik in Sachen Griechenland-Hilfen falsche Tatsachen vorspiegelt, moniert die liberal-konservative Neue Zürcher Zeitung: "Nirgends in Europa werden die Hilfszusagen im Staatshaushalt abgebildet. Vielmehr haben die Finanzminister der Euro-Zone einen nominalen Schuldenschnitt ausgeschlossen. Man hält die Fiktion aufrecht, dass die Griechen irgendeinmal - geht es nach den Ideen des Internationalen Währungsfonds, vielleicht in 60 Jahren - ihre Schulden zurückzahlen werden. Diese Verschleierungstaktik ist armselig. Wer Athen erneut Geld zur Verfügung stellt, sollte wenigstens die finanzielle Verantwortung dafür übernehmen. Wer alte Schulden mit neuen bedient, die Laufzeiten immer länger macht sowie die Zinsen extrem reduziert und stundet, schickt nur die Rechnung von Generation zu Generation weiter, fast wie einen Kettenbrief."
Vor allem Tsipras profitiert vom neuen Paket
Das dritte Kreditpaket für Griechenland nützt vor allem dem griechischen Premier Alexis Tsipras, meint die konservative Tageszeitung Die Welt: "Gewiss, die Syriza-Bewegung des griechischen Premiers steht vor der Spaltung. Aber Tsipras ist nach wie vor populär. Eine Regierung in Athen, die nicht unter seiner Führung steht, ist derzeit - und womöglich noch eine ganze Weile lang - nahezu undenkbar. Auch Tsipras' persönliche Position gegenüber den Euro-Partnern ist gestärkt. ... Nach Beginn des dritten Hilfsprogramms wird es einen Stopp der Auszahlungen mitsamt Grexit ohnehin nur noch geben, wenn Tsipras sich komplett verweigert und dies lauthals kundtut. Solange er gegenüber den Gläubigern auch nur vorgibt, weiter guten Willens zu sein, werden die Gläubiger Griechenland nicht fallen lassen. ... Tsipras sitzt nun endgültig am längeren Hebel. Der Mann wird das für sich zu nutzen wissen."
In den Niederlanden werden Europafreunde rar
Als letzte Volksvertretung hat am Mittwochnachmittag das niederländische Parlament über das neue Kreditpaket für Athen abgestimmt - und dieses mit knapper Mehrheit akzeptiert. Das Lager der Europafreunde bröckelt, klagt die linksliberale Tageszeitung De Volkskrant: "Nur ein kleines Lager steht noch hinter dem Premier in seinem Bemühen, Griechenland zu helfen. Wenn die Meinungsumfragen nicht täuschen, dann werden die Gegner in einem nächsten Parlament eine sehr breite Mehrheit haben. Für die ehemalige Regierungspartei CDA ist das Nein ein bemerkenswerter Schritt, war sie doch jahrzehntelang eine der Säulen der europäischen Zusammenarbeit. ... Jetzt steht Parteichef [Sybrand van Haersma] Buma für eine sehr kleinliche Europa-Vision, bei der es nur um finanzielle Dinge geht. Die europäische Solidarität und die politisch-strategische Bedeutung der Griechen in der Eurozone sind für die CDA kaum noch erwähnenswert."