Griechen schenken Syriza erneut Vertrauen
Die linke Syriza von Alexis Tsipras hat die Wahl in Griechenland überraschend deutlich gewonnen. Sie erhielt am Sonntag 35,5 Prozent der Stimmen. Einige Kommentatoren hoffen, dass die Regierung nun die Handlungsspielräume gegenüber den Gläubigern nutzt. Andere zeigen sich besorgt, dass die Politikverdrossenheit in Griechenland steigt.
Syriza darf sich Gläubigern nicht unterwerfen
Syriza muss sich nun Handlungsspielräume gegenüber den Kreditgebern verschaffen, rät die christlich-soziale Tageszeitung Le Courrier: "Es ist eine Ironie der Geschichte, dass dem Vorsitzenden der 'radikalen Linken', Alexis Tsipras, die Aufgabe zukommt, das ultraliberale Programm der Gläubiger umzusetzen. … Was kann Syriza aus diesem Sieg machen? Wir hoffen, dass der Machterhalt der Linken wenigstens zur Umsetzung der wenigen fortschrittlichen Punkte führt, die das Memorandum enthält (Bekämpfung von Korruption und Steuerflucht). Vor allem sollten Alexis Tsipras und seine Truppe gegenüber den Forderungen der Gläubiger die Handlungsspielräume finden, auf die sie auch ihren Wahlkampf aufgebaut haben. Andernfalls wird der Chef der 'radikalen Linken' in Griechenland die Person bleiben, die einen der schlimmsten Spar- und Privatisierungspläne der Geschichte ausgestaltet hat."
Tsipras' Metamorphose geht weiter
Alexis Tsipras muss jetzt zeigen, dass er wirtschaftspolitischen Realismus besitzt, findet die linksliberale Tageszeitung Delo: "Mit dem passenden Regierungspartner wird Alexis Tsipras seine Metamorphose vom extremen Linken zu einem Mitte-links-Politiker fortsetzen. … Es ist eine historische Tatsache, dass die Linke in Europa und auf der ganzen Welt im vergangenen Jahrhundert erfolgreich ihre Vorstellungen von einer fortschrittlichen Gesellschaft in den Diskurs eingespeist hat und dass diese sogar von vielen Konservativen angenommen werden. Tatsache ist aber auch, dass die politische Linke oft an der wirtschaftlichen Entwicklung scheitert, die nicht nach einem Diktat funktioniert. Zahlreiche linke europäische Regierungen haben ihren Bürgern bereits ein besseres Leben ermöglicht. Jetzt muss auch die neue griechische Regierung ihren wirtschaftspolitischen Realismus unter Beweis stellen."
Die letzte Runde ist in Athen eingeläutet
Zum Konsens und zur Zusammenarbeit ruft nach der Wahl die konservative Wirtschaftszeitung Naftemporiki auf: "Die Wahl ist vorbei und jeder sollte sich jetzt ernsthaft mit der harten Realität auseinandersetzen. Nun muss Griechenland von Menschen regiert werden, die erkannt haben, dass in den nächsten drei Jahre alles auf dem Spiel steht. Entweder werden wir Erfolg haben, oder kein einziger von uns wird gerettet. Damit letzteres nicht passiert, müssen unsere Politiker ihre Parteiinteressen beiseitelassen und sich anstrengen, damit wir alle zusammen die Schwierigkeiten überwinden. ... Heute beginnt die letzte Runde im Überlebenskampf Griechenlands. Die Opfer waren schon in den vorigen Jahren groß. Die zukünftigen Opfer werden aufgrund der Fehler in den letzten Monaten ebenfalls groß sein."
Griechen wenden Staat den Rücken zu
Neben dem starken Abschneiden der rechtsradikalen Partei Chrysi Avgi beunruhigt die linksliberale Tageszeitung El Periódico de Catalunya auch die hohe Zahl an Nichtwählern: "Eine weitere schlechte Nachricht ist die geringe Wahlbeteiligung, die allerdings auch nicht weiter verwundert. Es war das dritte Mal in diesem Jahr, dass die Griechen zur Urne gebeten wurden, und das fünfte Mal innerhalb von sechs Jahren. Die Wahlmüdigkeit und der Frust sind verständlich, nachdem sich herausgestellt hat, dass es völlig unabhängig vom Wahlergebnis keine echte Alternative gibt. Das wird auch eine große Herausforderung für die neue Regierung sein: Sie darf es nicht zulassen, dass ein bedeutender Teil der Bevölkerung dem Staat weiter den Rücken zudreht."